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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Elli Di Okt 16 2018, 08:29

Melinda gefiel es in der kalten Fabrikhalle nicht sonderlich gut. Es war dunkel, unübersichtlich und wenn nun jemand herkommen würde, würde man hier schneller in einen Hinterhalt geraten, als ihnen lieb war. Das Charles alsbald aufbrechen wollte, beruhigte sie. Offenbar waren die Spuren die sie gefunden hatte nicht weiter wichtig, doch was schon völlig in Ordnung so. Vermutlich war die Maschine ohnehin vor der Tür auf irgendetwas geladen und wegtransportiert worden. Sie würde wohl kaum, von ein paar Laubblättern verdeckt, hinter der Halle liegen. Sie zuckte mit den Schultern und gab sich damit selbst den Auftrag nicht weiter darüber nachzudenken. Die Trümmer weiter zu durchsuchen, erschien ihr nicht als sinnvoll, das hatten die Herren schon zu Genüge getan. Was also sollte sie mit sich anfangen? Es schien als sei sie momentan für diese Gruppe nicht nützlich und eher ein fünftes Rad am Wagen. Sie ging ihre Möglichkeiten durch.
Du könntest einfach abhauen. Das hast du doch schon immer getan. Du hast deine Hände schon lange nicht mehr in Blut getränkt...hehehehehe...das wäre doch jetzt ein Spaß, oder? Jemandem den Fächer in den Hals schieben, bis das Fleisch reißt und die Augen brechen! Hach, welche GEDANKE!
Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit einen Alleingang zu unternehmen, doch wo sollte sie hier schon hin? Sie war hier nicht in ihrer Gegend, kannte sich nicht gut genug aus und würde mit Sicherheit auffallen. Warum sollte sie einen unbescholtenen Mitbürger das Leben rauben? Sie hatte nie so gehandelt, wenn es nicht unumgänglich gewesen wäre.
Ja? Ist das so? Ich glaube nicht dass das so ist - außerdem ich wüsste da schon jemanden...Mr. C steht ganz oben auf der Liste.
Melinda wurde durch das Gespräch von Bruce und Randolph wieder in die Gegenwart zurückgeholt. Sie verstand nicht was sie sagten, hörte nur ihre Stimmen. Sie musste etwas tun. Bald.
...und wir beiden Hübschen, wissen auch schon was!
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Mi Okt 17 2018, 11:37

Dr Tremains Worte klangen recht einleuchtend, auch wenn Bruce die vollständigen Zusammenhänge zwischen Stirling und der Gruppe nicht kannte. Er selbst hätte nicht gedacht, dass Stirling so weit ging und Norly und seinen Begleitern nach dem Leben trachtete und den Grund dafür zu erfahren wäre sicherlich interessant gewesen. Der Doktor wirkte allerdings nicht zur netten Plauderrunde aufgelegt und auch Bruce war die Unterhaltung ein wenig unangenehm, wo sie zunehmend die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zog.
Bruce bemerkte zu spät, dass ihn dieser Einwand etwas verunsichert zeigte und suchte nach kurzen hin und her wieder den direkten Augenkontakt zum Arzt. „Mr. Stirling wirkte auf mich nicht unbedingt rachsinnig.“ Bruce sprach seine Gedanken dazu langsam aus. Der Mann hatte unter Alkohol und Adrenalin geredet nach der kurzen Auseinandersetzung. Bruce hatte nicht den Eindruck gehabt, dass er es für nötig hielt, zu lügen. Seine Worte hatten herablassend geklungen, als er von Norly und Mr. C sprach, nicht aber unbedingt hasserfüllt.
Bruce erachtete es nicht für nötig Spielchen zu spielen. Charles Norly hatte bereits die wesentlichen Informationen an die Gruppe weitergegeben und sofern Tremaine oder einer der Anwesenden ein Spion war, wusste dieser inzwischen ohnehin schon genug, um weder ihn noch Taylor unbeachtet zu lassen. „Stirling hatte von Norly und Mr. C gesprochen, die beiden als völlig verrückt bezeichnet. Er sprach auch von einem verrückten Doktor in Norlys Gruppe.“ Der Schotte musterte Tremains Gesicht genau, als er die ungewollte Provokation äußerte, ehe er fortfuhr. „Er verwendete das Wort recht großzügig.. Namentlich kannte ich als einzige Person um Norly lediglich Miss Bolt und als ich in ihrem Milieu dabei auf den Namen Doktor Tremaine stieß, führte mich dies zu ihrem Haus. Die Türe war aufgebrochen. Ich habe Dr. Taylor dort angetroffen und überraschte ihn dabei, als er im Begriff war, ihr Arbeitszimmer zu durchsuchen. Er gab an, ein Freund von ihnen zu sein und  auf Norly zu warten und als man das Feuer auf ihr fliegendes Schiff eröffnete und draußen die Hölle losbrach, verfolgte ich ihn. Da wir scheinbar ein ähnliches Ziel hatten, taten wir uns in der Nacht notgedrungen zusammen um eure Gruppe vor der Polizei zu erreichen. Eine bessere Fährte hatte ich schlicht nicht, aber ich bin wohl auch nicht der einzige verrückte in der Stadt, der versuchte, Scarface zu finden.“
Bruce atmete durch. Er hatte die Karten auf den Tisch gelegt. Den Doktor mochte sicher interessieren, dass Taylor an seinen Habseligkeiten war. Dass er den Mann weder mochte noch vertraute war Bruce inzwischen ja bekannt.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Darnamur Do Okt 18 2018, 10:13

Bruce mochte eventuell recht haben. Vielleicht war Stirling nicht rachsüchtig. Nicht in ernster Linie. Seine Motive waren schwer abzuschätzen. Er hatte eigentlich nicht erwartet ihm noch einmal zu begegnen, nachdem er sich in London derart abrupt von ihnen getrennt hatte. Doch ihr letztes Gespräch war ihm immer noch präsent im Kopf. Das Gespräch um seinen Vater. Vielleicht ein verhängnisvoller Fehler sich ihm anzuvertrauen. Stirling nicht eben Scheu zu besitzen seine Erlebnisse weiterzuerzählen, wie es aussah. Randolphs einziges Glück an der Sache war, dass es sich bei dem Mann um einen völlig desorientierten Säufer handelte, der gerade, wie er, wegen Mordes gesucht wurde.
Im Augenblick war es ihm sehr recht das Stirling in den Mittelpunkt der Gesprächs gerückt wurde. Über die eigenen Machenschaften des Doktors mit Mr. C schien dieser Kerl immerhin nichts zu wissen. Das wäre fatal gewesen. Randolph war sich, wenn er sich die Gruppe ansah, relativ sicher, dass niemand unter Ihnen ein Verräter war. Sowohl bei Melinda, als auch bei Mr. Wright würde es aus unterschiedlichen Gründen keinen Sinn machen und was ihre neuen "Freunde und Helfer" betraf, so hatten die verdächtigen Ereignisse, die nahelegten, dass man über sie bestens Bescheid wusste weit vor ihrem Zusammentreffen begonnen. Randolph selbst hatte natürlich bereits mit Jack Crowne korrespondiert, was die Leute hier im Raum zu seinem Glück vermutlich nicht wussten. Allerdings hatte er sich mit ihm nicht über den Aufenthalt der Gruppe unterhalten, er hatte auch nicht ihre künftigen Planungen ausgeführt. Von ihm konnte man kaum erfahren haben, dass das Luftschiff hier auftauchen würde. Und auch der Mörder der Mauney-Familie, wenn es sich nicht um den Yard selbst handelte, musste gewusst haben, wo sie operierten. Es mussten andere Personen involviert sein. Und bei diesen Personen war sich Randolph längst nicht so sicher für wen sie arbeiteten. Dafür lag einfach noch zu viel im Dunkeln.
Trotz alledem: Es erschien ihm in diesem Augenblick sinnvoll den Fokus auf Stirling aufrecht zu erhalten.
Das war Bruce ihm danach erzählte,warf einen Schatten über das Gesicht des bleichen Mannes, als sein Blick ernst von dem Hünen, zum Doktor und schließlich wieder zu seinem Gesprächspartner zurückwanderte. Was für ein Zufall, dem Doktor beim Schnüffeln in meinen Habseligkeiten zu finden, nachdem man bereits durch Zufall auf Stirling getroffen war. Und was für ein Zufall sie inmitten dieses Chaos' vor den Truppen des Yards aufzustöbern. Randolph sprach es nicht an, doch er spürte, dass bei dem Thema noch mehr dahintersteckte.
"Wenn es nach Stirling geht, ist die halbe Stadt wahnsinnig. Vielleicht hätten sie ein anderes Bild von ihm, wenn sie gesehen hätten, was ich gesehen habe." Randolph machte eine kurze Pause, als er seine Gedanken sammelte und den Moment vergegenwärtigte. Ein kalter Schauer lief dabei über den Rücken und sein Bein pochte unheilverkündend. "Wie er vor meinen Augen die unbewaffnete Haushälterin der Witwe Sarah Mauney erschoss. Ich kann nicht sagen, ob er nach Rache sinnt, ausschließen kann ich nichts, ich weiß nicht was in seinem verqueren Verstand vor sich geht. Aber er ist auf jeden Fall unberechenbar."


Zuletzt von Darnamur am Fr Okt 19 2018, 18:42 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Thorgrimm Do Okt 18 2018, 19:02

Wieder waren Norlys Worte alles andere als wirklich hilfreich. Zwar nahm er sich die Zeit, sich mit der Sache zu befassen und antwortete auch aber gleichzeitig verriet er so gut wie gar nichts über sich. Was natürlich sehr schlecht war, da alles mit ihm zusammenhing. Er hatte sich vor Jahren schon aus der Industrie zurückgezogen aber erklärte weder aus welcher Industrie genau, noch warum. Einige Aspekte kannte Gilbert mehr oder weniger durch Zufall aber das half nicht weiter. Auch erklärte er nicht, was seine privaten Projekte genau waren, zu denen diese Halle und die gefundenen Teile keinen Bezug haben sollten. Es war durchaus möglich, dass der Mann ganz einfach log, aus welchem Grund auch immer. Auch wenn es fraglich war, ob ihm das überhaupt weiterhalf. Doch es gab so viele verschiedene Fragen und offene Enden, dass es in etwa so wirkte, als würde man eine Nadel im Heuhaufen suchen. Wenn Norly nicht bereit war, irgendwann etwas mehr zu erzählen, würden sie nie weiterkommen. Sie suchten nun schon eine ganze Weile nach Antworten und hatten bisher nur weitere Fragen gefunden. Langsam ging das ganz schön an die Substanz und nicht zum ersten Mal fragte sich Gil deshalb, ob diese ganze Suche überhaupt Sinn machte. Hätte er sich schon vor einer ganzen Weile abgesetzt, wäre er jetzt vielleicht schon im Ausland. Oder tot. Beides keine schlechte Option.
Zumindest erwies sich das Rohr und Ventil als eine heiße Spur. Withers & Co also. Er hatte schon davon gehört aber persönlich nie damit zu tun gehabt. Er glaubte sich daran erinnern zu können, dass sein Vater mit diesem recht kleinen Betrieb zu tun gehabt hatte. Es ging wohl um irgendwelche speziell angefertigte Maschinen für die Textilindustrie aber sicher war er sich da nicht mehr. Vielleicht war er auch nur im Rausch oder auf irgendeiner Party auf den Namen getroffen. Auf jeden Fall ein Betrieb, der trotz kleinerer, interner Streitigkeiten, einen wunderbaren Ruf genoss. Woran er sich aber auf jeden Fall noch erinnerte, war der Ingenieur Charles Cook oder eher der Umstand seines Todes. Er war von Scarface nicht nur einfach ermordet, sondern ans Bett gefesselt, gefoltert und sogar verstümmelt worden und war damit einer der brutalsten der Scarface-Morde gewesen. Es gab mehrere Theorien wieso das so war. Geschäftsbeziehungen mit Norly, die nicht zur Zufriedenheit verlaufen waren. Cook hätte mit Chief Comissioner Hill oder der Regierung zusammen gearbeitet und Informationen über Scarface weitergegeben. Oder einfach nur ein Zufallsopfer, das zeigte, dass Scarface immer blutrünstiger wurde. Was auch immer davon stimmte... Fakt war, dass Norly am gestrigen Abend nicht gut darauf reagiert hatte, als Thomson ihn auf Cook angesprochen hatte. Irgendetwas lag da auf jeden Fall im Argen. Doch der Moment schien nicht passend zu sein, das Thema anzusprechen. Sein Wissen und seine Vermutungen behielt Gilbert erst einmal für sich. Er würde Norly auf das Thema ansprechen. Natürlich nicht so, wie Thomson es getan hatte aber er würde es tun. Wenn es eine ruhige Minute gab, in der sie allein waren.
Sie hatten eine gute Spur und es gab keinen Grund, weiter zu warten. Was auch immer Charles vor ihnen geheim hielt, würde schon noch rauskommen. "Nun, dann sollten wir diese Spur nicht kalt werden lassen. Unterhalten können wir uns auch auf dem Weg." Er sprach recht laut, da er sah, wie sich der Schotte und der Doktor unterhielten. Sie sollten keine Zeit verlieren. "Wir sollten sowieso nicht zu lange hier herumlungern." Sie mussten in Bewegung bleiben. Sie alle wurden gesucht und es war sicherer, wenn sie nicht lange an einem Ort blieben. Gilbert ging einige Schritte durch die Halle und warf den beiden, sich unterhaltenen Männern, einen kritischen Blick zu. Vor allem dem, der sich kaum auf den Beinen halten konnte. Auf die aggressive Antwort des Doktors hatte Gil kaum reagiert. Er hatte nur nett sein wollen und der Zustand, in dem sich der Mann befand, grenzte an Selbstverletzung. Was auch immer der Grund war, warum er sich nicht helfen ließ - war er einfach stur und stolz oder gab es da noch andere Gründe? - langsam war es ihm egal. Er ließ sich nicht helfen und grub sich selbst sein Grab. Deshalb erwiderte Gilbert auch nichts, obwohl er durchaus hätte sagen können, dass der Doktor im Moment weder arbeiten konnte, noch bei klarem Verstand war. Jeder mit einem klaren Verstand würde Hilfe annehmen - egal wie stur oder stolz man war. Innerlich zuckte der Maler nur mit den Schultern. Wer nicht will, der hat schon. "Gehen wir." rief er noch einmal und begann dann, sich in Bewegung zu setzen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra Mo Nov 12 2018, 00:35

Charles verfolgte den Wortwechsel hinter sich mit nicht geringer Aufmerksamkeit, auch wenn er vermutlich den Eindruck vermittelte, als würde ihn nicht interessieren, was geredet wurde. Mit dem Blick auf das Ziel gerichtet (den Ausgang), auch wenn er zwischendurch hinblicken musste, wo er auftrat, stapfte er voran. Griesgrämig. Nein, gut gelaunt war er wirklich nicht.
Seine Gedanken drehten sich um mögliche Szenarien, die Cook, sein abscheuliches Ende und die vertuschte Zerstörung der hiesigen Maschinerie in Verbindung bringen könnte. Wenn Cooks Tod wirklich mit dem ehemaligen Inhalt dieser Halle zu tun hatte und nicht mit dem Grund, von dem Charles bisher ausgegangen war, wusste er nicht, ob er dies als besser erachten sollte oder nicht. Dafür wusste er zu wenig über die Hintergründe. Die Aussicht auf eine Möglichkeit, dieses nicht vorhandene Wissen auszubessern, bestand nun, aber das bedeutete auch, dass die Angelegenheit für ihn eine etwas unangenehme und zugleich unerwartete Wendung genommen hatte. Charles wäre den Weg zur Werkstatt lieber allein gegangen. Er behielt diesen Wunsch jedoch für sich – das hätte bei seinen Begleitern nur unnötig Fragen und Misstrauen aufgeworfen. Charles hatte momentan wenig Lust dazu, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Dass Bruce ihn ansprach, während Charles an ihm vorbeiging, und ihn vor möglichen Komplikationen warnte, weil der Feind zu gut Bescheid wusste, quittierte Charles nur mit einem missmutigen Blick.

Sollten sich die anderen ruhig ihren Teil denken. Ihnen fehlte seine Sicht auf die Dinge, das konnte er ihnen nicht vorwerfen. Einzelheiten aus seiner Vergangenheit gingen sie im Grunde auch nichts an, das war seine Meinung dazu. Dass Oxley sich als einziger Mitwisser einen Kommentar sparte, sprach für den alten Haudegen. Charles war froh, dass sein Butler anwesend war. Dieser Umstand gab ihm eine gewisse Sicherheit, die ihm gefehlt hatte – auch wenn Charles Ox‘ strengen, etwas vorwurfsvoll bohrenden Blick, den er eben schon im Augenwinkel hatte erspähen können, in seinem Nacken ruhen spürte.

Als das Gespräch seiner Begleiter abflaute, mischte sich Charles wieder ein – und bewies damit, dass er zugehört hatte. Inzwischen hatten sich alle in Bewegung gesetzt und er führte die Gruppe zurück nach draußen.
„Lassen Sie Stirling meine Sorge sein“, verkündete Charles brummelig, während er den Hof ausspähte und dabei entschied, dass die Luft rein war. Er trat aus dem Schlund des malträtierten Gemäuers.
„Ich werde ihm bei nächster Gelegenheit einen kleinen Besuch abstatten. Es wundert mich ohnehin, dass die Polizei ihn nicht schon längst aus dem Verkehr gezogen hat. Allzu schwer aufzuspüren ist er nicht.“
Vermutlich torkelte Stirling betrunken durch die schäbigsten Kaschemmen des East Ends, schrieb im Opiumrausch wieder irgendein lächerliches Gefasel über die Überlegenheit der oberen Schichten oder ließ sich von der abstoßenden Zigeunerhexe das Geld aus den Taschen ziehen – wenn er denn nicht wirklich bereits in einer Zelle schmorte.
„Er mag sich für uns alle als Ärgernis erwiesen haben, doch verschwenden Sie nicht unnötig Gedanken an ihn. Seine Involvierung in die Zerstörung dieses Ortes könnte interessant für uns sein, doch schlussendlich ist er ein Querulant, nicht mehr und nicht weniger. Diese Person, die sich ‚Mr. C‘ nennt, hingegen“, erläuterte Charles, „verdient nun unsere volle Aufmerksamkeit. Die verschwundene Maschinerie hier und die Verbindung zu Whithers & Company, die wiederum eine Verbindung zu dem Mord an Charles Cook und damit zum ganzen Scarface-Fall darstellt, sind Indizien, die mein Bild, das ich von der ganzen Angelegenheit hatte, zumindest etwas ändern. Vielleicht wird es sich noch komplett ändern, das kann man nie wissen. Sollte sich herausstellen, dass Cook aufgrund seiner Involvierung in das Projekt in dieser Halle sterben musste, lohnt es sich auf jeden Fall, herauszufinden, was es hiermit auf sich hatte.“
Er seufzte, etwas erschöpft.
„Und nur, um es zu erwähnen, Bruce: Niemand der Anwesenden hätte die Gelegenheit gehabt, unsere Ankunft an den Yard zu verraten. Er wusste es, weil es jemand anderes getan hat. Wahrscheinlich einer unserer Beobachter. Vielleicht ja sogar dieser Mr. C oder einer seiner Handlanger. So schnell meine Endeavour auch war“, in seiner Stimme lag unterschwellig nun eine tiefe Traurigkeit, „ – unglücklicherweise war ein Telegramm aus Manchester schneller. Drew hat mir davon erzählt, ohne mir Details nennen zu können. Die ganze Stadt war aus dem Häuschen... Yard und Army haben sich zusammengeschlossen und schweres Geschütz aufgefahren. Als kleiner Trost: wären wir mit dem Zug gefahren, hätten sie uns sicherlich erwischt. Dennoch sollten wir dankbar sein, dass wir noch atmen.“

Dankbar dafür, was sie auf den folgenden Metern einatmen mussten, war aber vermutlich niemand. Der Smog der Industrie lag schwer über Limehouse – einmal ganz zu schweigen von den fischig-fäkal-schlickigen Ausdünstungen des Themse-Ufers, das mit jedem neuen Windstoß eine neue widerliche Nuance des typischen Dockaromas an die Nasen der nächtlichen Herumtreiber trug. Sicherlich war der ein oder andere Schlimmeres gewöhnt, besonders wenn man an die dreckigen Seitengassen von Whitechapel dachte, in denen sich verwesender Unrat mit penetrantem Körpergeruch und dem Gestank von verreckendem (tierischem und menschlichem) Ungeziefer mischte... Doch bis man sich an die neue Atmosphäre etwas gewöhnt hatte, brauchte es einige Minuten der Beherrschung und vielleicht sogar der Selbstüberwindung. Immerhin, und das war in diesem Fall etwas Positives, herrschte ungemütlich feucht-kühles Märzwetter. Während sommerlichen Hitzewellen roch man die Themse selbst noch in großer Entfernung. Wie es zu Zeiten gewesen sein musste, in denen die Stadt über noch keine Kanalisation verfügt hatte, mochte man sich vermutlich ungern vorstellen. Selbst heute war es (zumindest für Charles‘ Nase) eine Zumutung.

In der Gasse, in der Whithers Werkstatt lag, war es (zum Glück) erträglicher als anderswo. Sie schmiegte sich mit einem überschaubar kleinen Schaufenster mit schwarz lackierten Rahmen in eine geschlossene Reihenhausfront. Wohnhäuser schienen hier jedoch eher nicht zu finden... es handelte sich anscheinend vornehmlich um kleinere Handwerksbetriebe, die hier mitsamt ihren Lagerräumen untergekommen waren. Die Straße war spärlich von wenigen Laternen beleuchtet, die hin und wieder einen Blick auf einen oder mehrere Passanten preisgaben. Trotz der späten Stunde und der moderaten Abgelegenheit von Unterhaltungslokalen jeglicher Art, die man hier in der Hafengegend zuhauf fand, schlief die Umgebung nicht komplett. In der Werkstatt und den umliegenden Häusern, allerdings, brannte kein Licht. Aus der Nähe betrachtet, war im Schaufenster selbst nicht viel zu erkennen. Zusätzlich zu der Dunkelheit, war es aufgrund vorgezogener, dunkler Vorhänge schlecht bis kaum einsehbar. Allein die goldenen Lettern auf dem Ladenschild verrieten, dass sie hier richtig waren. „Whithers & Co.“ hieß es da. Und mit schwungvoller Schrift darunter: „Installationen und innovative Lösungen nach Maß“.

Erst, nachdem sich Charles vergewissert hatte, dass er niemandem dabei in die Arme laufen würde, hielt er auf die Eingangstür des Ladens zu und zückte, als er davor innehielt, sein Einbruchswerkzeug – auch wenn er es in Gedanken nicht als Solches bezeichnete. Das Schloss stellte sich bei Weitem nicht als das Billigste heraus, aber nach etwa einer halben Minute musste es vor Charles‘ Dietrichen kapitulieren.[1] Als er das ersehnte Klicken vernahm, schlich sich ein verschmitztes Schmunzeln auf Charles‘ Gesicht und er war dankbar dafür, sich aufrichten zu können und nicht mehr knien zu müssen. Ein paar wenige Tage der Ruhe würden vermutlich nicht nur für Dr. Tremaine eine Wohltat sein. Allerdings waren die Entwicklungen der letzten Tage so rasant vorangeschritten, dass die Hoffnung auf die Gelegenheit für eine ausgiebige Pause recht gering war. Charles winkte seine Begleiter zu sich und betrat selbst als erster den Laden. Im Haus herrschte Totenstille – gut. Anscheinend war niemand da. Trotzdem war Charles darauf bedacht, so still wie möglich zu sein. Allerdings erlaubten es die schweren, geschlossenen Vorhänge, für etwas bessere Lichtverhältnisse zu sorgen. Charles opferte eines seiner letzten Streichhölzer, um eine kleine Tischlampe, die auf der Ladentheke stand, zu entfachen. Er dimmte sie so, dass sie gerade noch leuchtete – und einen Blick auf die im Laden ausgestellten Kreationen zu werfen. Die Regale waren teils traurig leer, vermutlich deswegen, weil nach Charles Cooks Ableben einfach der kontinuierliche Nachschub an neuen Erfindungen fehlte, aber das ein oder andere mechanische Wunderding glänzte metallen im Schein der Lampe in den Wandregalen. Auch nur das Schaufenster, das von dieser Seite deutlich besser einsehbar war, war voll bestückt. Hinter der breiten Ladentheke, die fast den gesamten Raum ausfüllte (tatsächlich war er gerade einmal so groß, dass alle Anwesenden sich hier aufhalten konnten, ohne sich zu berühren), führte eine dunkelholzige Tür in Richtung Werkstatt – zumindest war das für diejenigen, die diesen Ort das erste Mal besuchten, anzunehmen. Charles wusste es mit Bestimmtheit. Doch erst einmal konnte auch er nicht anders, als den ausgestellten mechanischen Apparaturen, die ihn schmerzlich an seine ewige Begleiterin, seine Prothese, erinnerten, einen näheren Blick zu widmen.[2]



[1] Einbruch +6 (Weltklasse)
[2] Wenn ihr Lust habt, könnt ihr euch gern hier umsehen und Dinge erfinden. Ein paar Beispiele/Inspirationen hatte ich in Bezug auf Randolphs Wurf im Würfelthread schon genannt.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Thorgrimm Mo Nov 26 2018, 05:21

Während sie sich alle wieder in Bewegung setzten und die zerstörte Lagerhalle langsam hinter sich ließen, ließ Norly die Gruppe wieder einmal an seinen Gedanken teilhaben. Zum einen war Gilbert froh, dass der Mann endlich etwas Nützliches von sich gab - auch wenn es nicht wirklich etwas Neues war - aber zum anderen ließ er wieder einmal die Details komplett aus. Er sprach davon, dass er sich ein Bild von der Situation gemacht hatte und das dieses sich noch verändern könnte aber nicht davon, wie dieses Bild genau aussah. Wieder einmal hatte er das Gefühl, dass wichtige Informationen enthalten wurden. Wieso arbeitete Norly überhaupt mit ihnen zusammen, beziehungsweise umgekehrt, wenn er nicht bereit war, offensichtlich wichtige Informationen oder Gedanken zu teilen? Über dieses Thema hatte sich Gil allerdings in der letzten Zeit so oft Gedanken gemacht, dass er es leid war und nun darauf verzichtete. Lieber konzentrierte er sich darauf, was Norly sonst noch zu sagen hatte.
Und endlich ließ er mal Informationen und Worte fallen, die wirklich einen Wert hatten. Er verteidigte sie alle vor Bruce und erzählte von einem Telegramm, welches aus Manchester gekommen war und sowohl Yard und Army über das Luftschiff aufgeklärt hatte. Interessant. Das warf aber auch die Frage auf, wieso Norly so heiß darauf gewesen war, das Luftschiff zu benutzen, wenn er wusste, dass sie beobachtet wurden und vermutlich jemand ihren gewählten Weg verraten würde. Zwar sagte er, dass ein Zug genauso unsicher gewesen wäre aber wenigstens wären sie dann vermutlich nicht vom Himmel geschossen worden. Es war sowieso ein Wunder, dass sie alle recht unbeschadet diesen Beschuss und den folgenden Absturz überlebt hatten. Gil war immer noch der Meinung, dass ein Schiff sicherer gewesen wäre. Sie hätten einen erfahrenen Schmuggler engagieren sollen - die wussten schließlich am besten, wie man der Gerechtigkeit und seinen Dienern entkam. Aber Nein, natürlich hatte man nicht auf den Künstler gehört.
Über diese Sache brütete er noch die nächsten Minuten, die sie in Limehouse unterwegs waren. Auch wenn Gilbert das Gebiet etwas kannte und mit dem Geruch vertraut war, musste er sich trotzdem anstrengen, nicht zu würgen. Er hielt sich den Ärmel seines Mantels über Mund und Nase und versuchte so den Gestank etwas abzuschwächen. Der Weg zur Werkstatt war zwar alles andere als angenehm aber wenigstens ereignislos. Wieder einmal knackte Norly ohne Probleme das Schloss, das an der Tür hing. Auch wenn sich Gilbert nicht auskannte, erkannte er dennoch, dass es sich um kein billiges Ding handelte. Wenn ihr Anführer dieses Schloss so einfach knacken konnte, hatte er entweder sehr viel Übung oder Talent. Immer wieder auffällig und seltsam. Wo hatte er das eigentlich gelernt? Soweit Gil verstanden hatte, war der Mann doch mehr oder weniger Geschäftsmann gewesen. Das war nicht unbedingt eine Sache, die man in Verbindung mit dieser Tätigkeit lernte.
Während Gilbert noch weiter darüber nachgrübelte - obwohl es ihn eigentlich nicht so überraschen sollte - betrat er vorsichtig den Laden. Er war kleiner, als er in Erinnerung hatte und wesentlich schlechter bestückt, was aber Sinn machte, da der Erfinder ja ermordet wurde. Eigentlich traurig, das Geschäft in diesem Zustand zu sehen. Er hatte großen Gefallen daran gefunden, als er hier gewesen war. Langsam setzte Gilbert einen Fuß vor den anderen und achtete darauf, möglichst schnell hinter den Vorhängen zu verschwinden, die zum Glück vor möglichen Blicken schützten. Wer wusste schon? Vielleicht wurden sie ja beobachtet. Norlys Worte hatten auf jeden Fall nicht geholfen, weniger Paranoid zu werden und so konnte sich der Maler nicht verkneifen, ab und zu über die Schulter zu sehen, obwohl er wusste, dass weder er jemanden sehen, noch jemand ihn sehen konnte. Er wandte sich dem Schaufenster zu, welches durch das wenige Licht, dass die Lampe spendete, nicht deutlich zu erkennen war.
Trotzdem sah er sich interessiert die Apparaturen an, die hier standen. Eines der Dinger sah aus wie eine Art Scheibe, unter der hunderte Borsten waren. Eine Art runder Besen also, dem ein Stiel fehlte. Darauf war eine Art Mechanismus angebracht, der vielleicht ein Motor sein konnte. Ein automatischer Besen also? Vielleicht. Eine andere Apparatur bestand hauptsächlich aus einem Topf, an dem dutzende verschiedene Geräte und Werkzeuge hingen. Messer in verschiedenen Formen und Größen, eine Schere, ein Schneebesen. Irgendetwas musste das Ding mit der Küche zu tun haben. Am liebsten hätte Gilbert die Geräte einfach angemacht, um zu sehen, wie und ob sie funktionierten aber seine Paranoia hielt ihn dann doch davon ab. Lieber wollte er so unauffällig bleiben, wie es nur ging. Schließlich wandte er sich vom Schaufenster ab und blickte auf eine Tür im hinteren Teil des Ladens. Vermutlich führte sie zur Werkstatt. Sollten sie auch dort runtergehen? Wenn sie schon mal hier waren... vermutlich schon. Trotzdem schluckte Gilbert einen Moment, bevor er sich langsam darauf zubewegte.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Mo Nov 26 2018, 07:53

Bruce nickte Randy schließlich nur zu. „Möglich“ kam es zögerlich vom Schotten. Die Worte des Doktors machten ihm die Ahnungslosigkeit bewusst, mit der er sich in dieses Abenteuer gestürzt hatte. Überhaupt schien es vergeblich, alle Geheimnisse um das Geschehen aufdecken zu wollen, ehe man die Drahtzieher gestellt hatte. Diese waren schließlich im klaren Vorteil und wussten mit hoher Sicherheit recht genau, was Bruce und Norlys Gruppe gerade vorhatten und wohin es sie führte. Auch Gilbert nickte der Schotte bestätigend zu, als dieser zum Aufbruch drängte. Auch wenn ihre Gegner es wohl nicht für nötig erachteten wäre dies kein guter Ort für eine Auseinandersetzung gewesen, dafür war ihre Gruppe zu groß.

Auch Charles Worte empfand der ehemalige Boxer nicht gerade als aufbauend, zeugten sie aber zumindest davon, dass Norly sich inzwischen wieder gefasst hatte und in den richtigen Bahnen dachte. Bruce selbst beobachtete ihre Umgebung auf dem weg zu Withers fast schon paranoid. Er war sich sicher, dass man sie beobachten musste. Es wäre nicht unwahrscheinlich, dass genau dort nun die nächste Falle für sie Vorbereitet war, aber vielleicht spielten seine Gedanken ihm auch allmählich einen Streich. Einzig sein Instinkt erinnerte ihn daran was er gelernt hatte. Es war nicht wichtig seinen Gegenspieler genau zu kennen. Es genügte eine einzige Eigenheit zu verstehen, um ihm im richtigen Moment voraus zu sein und den nächsten Zug zu erraten. Bruce wusste weniger, als irgendjemand sonst aus der Gruppe über ihr Gegner, doch würde dies wohl nicht so bleiben und er war gefasst darauf die Reaktionen seiner Feinde zu studieren, wie damals im Ring.

Limehouse war kein besonders angenehmer Distrikt, aber Bruce hatte nach seiner Haft die Schattenseiten der Stadt zu lieben gelernt. Das triste am Bild der Weltmetropole nährte dabei seine Weltanschauung auf eine Düstere und dennoch beinahe leidenschaftliche Weise. Sie mochten Unrat sein in den Augen den Großen und doch waren sie Raubtiere mit mehr Potential als die vermeintlich geschickten Fädenzieher zu ahnen fähig waren. Als sie das Geschäft schließlich erreichten, sah Bruce sich ein letztes mal misstrauisch um. Er konnte das Grinsen im Gesicht ihres phantomhaften Beobachters, wie er ihm selbst durch den Kopf spukte fast schon vor sich sehen, aber Furcht half ihnen nun wirklich am wenigsten.
Geschäfte wie Withers & Co. waren ihm im großen und ganzen recht fremd. Die technologischen Wunderwerke hatten zwar ab und an seinen Respekt abgerungen, jedoch war er nicht technisch versiert genug um darin mehr als Wunderwerke zu sehen. Er war sich deshalb auch nicht im klaren, wonach sie hier nun genau suchten, jedoch wirkten die anderen so aufmerksam und interessiert, dass er alleine aus reiner Verlegenheit zwischen den halb lehren Regalen verschwand um die Nadel im Heuhaufen zu finden.
Sein Blick blieb schließlich auf einer Art metallenem Brillengestell hängen. Die Linsen waren eigentlich zu klein für echte Brillengläser und erinnerten ihn in ihrer Anzahl, unwillkürlich und alles andere als liebsamen Weise, an den Spinnenartigen Kamerakopf aus Dr. Temples unterirdischem Labor. „Temple“ entkam es seinen Lippen halblaut und unabsichtlich vor Überraschung. Bruce betrachtete die Brille etwas genauer. Sie war groß und klobig und sicherlich in keinem Zeitalter der Mode letzter schrei, doch irgendwie wirkte sie auch faszinierend in ihrer Beschaffenheit. Es gab einen Mechanismus an den Seiten der offensichtlich eine Art Miniaturgaslampe betreiben sollte auch wenn der Schotte nicht erkennen konnte, wo außerhalb der Brille etwas leuchten mochte.

Von der Neugier getrieben spielte Bruce an den Schaltern des Gestells und mit einem leisen 'Plop' bemerkte er plötzlich, wie die Linsen des Gestells schwach rot zu schimmern begonnen hatten. Er hielt sich die Brille vor Augen und bewegte sie im nächsten Augenblick überrascht wieder von sich, als er bemerkte, dass man durch das Rotlicht des Gestells die dunklen ecken des Raumes sehen konnte, welche mit bloßem Auge bei der herrschenden Dunkelheit unersichtlich waren. Von kindlicher Aufregung gepackt sah er sich zu den anderen um und fuchtelte mit der Brille, wie mit einer Trophäe herum. Ehe er seinen Ausbruch bemerkte und zu hoffen begann, dass man bei den Lichtverhältnissen nicht merkte wie er errötete.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra Mi März 13 2019, 17:26

Charles ließ sich nur wenig Zeit, um den ausgestellten Erfindungen in den Ladenregalen Aufmerksamkeit zu schenken. Es faszinierte ihn zwar immer wieder, Werke zu begutachten, die Cooks Geist entsprungen waren (und wenn er unter anderen Umständen hier gewesen wäre, hätte er wohl Stunden damit verbringen können, sie vielleicht sogar auseinanderzuschrauben und ihre technischen Geheimnisse zu ergründen), aber gleichzeitig erfüllten diese Situation, die nicht nur diesen Ort, sondern insbesondere auch die Gesellschaft seiner Begleiter hier beinhaltete, Charles mit Unbehagen. Er bemühte sich um eine Fassade der ernsten Gleichgültigkeit und versuchte, sich auf den Grund ihres Besuchs zu fokussieren, damit sie so schnell wie möglich wieder von hier verschwinden konnten, ohne dass er sich die Blöße geben musste, sich zu sehr in die Karten sehen zu lassen.
Die anderen ließen sich, teils mehr, teils weniger, von den Gerätschaften ablenken. Es entging Charles nicht, dass Oxley sich nicht dazu hinreißen ließ, sondern seinen Fokus voll und ganz auf ihn, seinen Dienstherrn, setzte, als würde der alte Mann versuchen, ihn mit den Augen bis auf die Knochen zu schälen. Charles kannte dieses eindringliche Starren nur zu gut – das einem Butler übrigens gar nicht geziemte. Oxley war sich sicherlich bewusst, dass Charles es längst bemerkt hatte, aber er ließ nicht davon ab, also wartete er bestimmt auf irgendeine Art Geständnis. Dieser Mistkerl witterte Charles‘ wahren Gefühlsregungen, auch wenn er sie noch so gekonnt überspielte, auf zehn Meilen Entfernung. Wären sie zwei unter sich, hätte Oxley vermutlich nicht gezögert, eine Offenlegung einzufordern, aber nun blieb es nur bei diesem gruseligen, nonverbalen Appell, ihn einzuweihen.

Charles hegte keine Intentionen, darauf einzugehen, sondern versuchte, sich davon nicht beirren zu lassen und Oxley einfach zu ignorieren. Priorität hatte für ihn, nach Hinweisen auf den Inhalt der zerstörten Halle zu suchen und schnellstmöglich wieder eine angenehmere Umgebung aufzusuchen. So ließ Charles seinen Begleitern nicht die Gelegenheit, alle Gegenstände in diesem Raum einzeln zu betrachten.
„Jetzt machen Sie bitte kein Aufheben darum“, kommentierte er stattdessen Bruces Herumgefuchtel mit einem schwach leuchtenden Gestell, das an eine Brille erinnerte. Insgeheim interessierte es Charles nun brennend, was genau Bruce so daran begeisterte und was dieses Gerät mit dem Wort (oder Namen?) „Temple“ zu tun hatte (nein, dass Bruce dies gesagt hatte, war Charles nicht entgangen)… doch er wollte es sich nicht anmerken lassen.
„Nehmen Sie das mit, wenn es Ihnen gefällt“, forderte er von Bruce und konzentrierte sich lieber darauf, erneut an der Dimmung der Tischlampe herumzuspielen.
„Das ist eine von Cooks Erfindungen“, fuhr er währenddessen fort, „er wird sie nicht mehr vermissen können. Wir sind nicht deswegen hier, also lassen Sie sich nicht zu sehr ablenken.“
Als er von der Lampe aufsah, bemerkte Charles, dass sich Mr. Wrights Interesse schon längst der nächsten Tür zugewandt hatte. Schnell schob er sich, die Lichtquelle mitnehmend, dazwischen, um vorn zu sein.
„Ganz recht, zur Werkstatt geht es dort entlang“, wisperte Charles verheißungsvoll. „Wenn Cook Beweise zurückgelassen hat, dann dort. Drücken Sie die Daumen, dass sie noch nicht vernichtet wurden.“
„Ich warte hier und behalte die Straße im Auge“, meldete sich Oxley zu Wort, als Charles nach der Türklinke griff. Der alte Butler postierte sich am Schaufenster, sodass er am Rand des Vorhangs vorbei nach draußen spähen konnte.

Charles nickte, nunmehr in dunklen Gedanken versunken. Die Tür war nicht verschlossen. Sie knarzte leicht, als Charles sie aufschob und die Schwelle übertrat, ohne zu zögern. Schnell verschlang Dunkelheit den Laden. Charles bahnte sich einen Weg durch die Werkbänke, die im zweiten Raum aufgebaut waren.
„Es ist eine Schande, was man ihm angetan hat“, murmelte er vor sich hin. „Der Mann war ein Genie. Ein wahres Ausnahmetalent.“
Dieser Bereich hier gehörte allerdings den übrigen Mitarbeitern – insgesamt sieben Ingenieure und Mechaniker, soweit Charles wusste. Eine Treppe direkt an der Eingangstür der Werkstatt führte in die erste Etage, wo sich hinter einem Vorraum das Büro des inzwischen einzigen Geschäftsführers, Richards Whithers, und ein Badezimmer befanden. Weiter hinten im Erdgeschoss gab es noch einen kleinen Wasch- und Toilettenraum für die Angestellten und ein Lager, in dem Baustoffe und Arbeitsmaterialien zum Bau von großen Maschinen untergebracht waren, aber das interessierte Charles in diesem Moment weniger. Zu dieser unchristlichen Stunde waren sie Eindringlinge hier allein unterwegs; und das war auch gut so. Das wirklich interessante, nämlich Cooks Büro und Werkstatt, befand sich eine Etage unter ihnen. Warum Cook sich im Keller sein Domizil errichtet hatte, war sicherlich für viele ein Rätsel gewesen – ohne Tageslicht mochten sicher viele nicht arbeiten wollen, gerade wenn ein Großteil der Arbeit aus technischem Zeichnen und dem Zusammenschrauben von kleinsten Kleinteilen bestand. Doch Cook hatte seine Gründe gehabt.

Es war ein mit einem Geländer bestücktes Loch am Rande der großen Werkstatt, unter dem eine schmale, steile Treppe in den Keller führte. Charles zögerte kurz, als er dort angelangt war. Er wandte sich seinen Begleitern zu.
„Vielleicht wäre es doch besser, wenn Sie hier oben warten würden“, sagte er dann. Er spürte mit einem Mal kalten Schweiß auf seiner Stirn. „Dort unten ist es ziemlich eng. Das wird hoffentlich nicht lange dauern.“
Insgeheim hoffte er, dass man ihn allein ließ, aber er hatte auch nicht vor, darauf zu pochen. Das würde nur unnötig Misstrauen erregen. Deswegen beließ er es dabei und setzte seinen Weg fort. In der großen Werkstatt war es einigermaßen hell, da von draußen Mond- und Laternenlicht durch die Oberlichter fiel, sodass er kein schlechtes Gewissen hatte, die Lampe mit sich zu nehmen. Der Abstieg schmerzte in Charles‘ geschundenen Waden, doch davon ließ er sich nicht aufhalten. Er wollte die Sache schnell hinter sich bringen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Mo Apr 08 2019, 09:20

Bruce fühlte sich im Moment einmal mehr hin und her gerissen. Er verstand nichts von all den Gerätschaften hier und Charles Worte, die über Cook in den höchsten Tönen sprachen verdringlichten den Gedanken nur, wie ähnlich Cooks Konstrukte zu jenen von Dr. Temple anmuteten. Im Kellergewölbe des seltsamen Wissenschaftlers hatte Bruce eine ganze Reihe von Mechanismen und Geräten bemerkt, welche diesen hier ausgestellten ähnelten.
War dies nun ein wichtiges Puzzlestück oder nur ein seltsamer Zufall für den technisch so wenig versierten Schotten?
Er fühlte ein ähnlich beklemmendes Gefühl, wie in den unterirdischen Laborräumen Temples, als sein Blick erneut die reihen wunderlicher Apparaturen tangierte. Unsicherheit machte sich in ihm breit. Das Zeitalter der Maschinen war wohl ganz sicher nicht das seinige und die Fährte hier würde wohl im besten Fall nur Erkenntnisse aufdecken, mit denen er nichts anzufangen vermochte.

Er wollte Norly die Brille noch anbieten, die im dunklen Kellerraum ja sicher von nutzen sein könnte, doch zögerte er, als er bemerkte wie zielstrebig Charles sich nun bewegte. Zusammen mit dem klammen Gefühl, dass dieser Ort mehr Antworten barg, als er zu verstehen vermochte, steckte er die seltsame Brille schließlich in die Manteltasche. Sollte ihr Weg sie tatsächlich noch zu Dr. Temple führen, würde sich damit vielleicht Beleg für die Ähnlichkeit zwischen dessen Arbeit und der Mr. Cooks erbringen lassen.
Als Norly sich schließlich anschickte, die Gruppe alleine zurück zu lassen wandte sich Bruce zu den anderen um. „Ich hatte vor wenigen Tagen mit einem Mann zu tun, der ebenfalls mit solchen Erfindungen zu schaffen hatte.“ Er fühlte sich dabei fast wie ein Kind, als er die Worte sprach. Es  konnte wichtig sein, doch erkannte er selbst keine Zusammenhänge dahinter.
Vielleicht würde Charles ja doch etwas wichtiges finden, was ihnen weiter half. Solange galt es wohl die Ruhe und einen kühlen Kopf zu bewahren.

Bruce entspannte sich mit etwas mühe und lies den Blick weiter wandern. Einer von den anwesenden mochte noch immer ein Spitzel der anderen Seite sein. Oder beobachtete man sie gar mit ähnlichen Apparaten wie der seltsamen Brille oder der Maschine aus Temples Labor aus der Ferne?
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Beitrag von Fade Do Apr 11 2019, 22:11

Während er noch fast etwas ziellos Richtung des Ausgangs nach auffälligem suchte, stockte der Schotte unvermittelt und für alle sichtbar in seiner Bewegung und blieb wie angewurzelt stehen. Vom Treppengeländer, welches ins Obergeschoss führte, war ein Stück herausgebrochen und aus seiner Sichtlinie erblickte er ein klaffendes Loch in dem Eckfenster, ehe die Treppe mit einem Rechtsknick weiter nach oben führte.
Scherben hangen teils noch im Rahmen und spiegelten das Licht von Straßenlaternen wieder, welches jedoch so schwach wirkte, dass es vorher kaum bemerkbar gewesen wäre.
„Dort!“ Mit einer raschen Handbewegung winkte er die anderen näher zu sich, damit sie erspähen konnten was sein Blick erhaschte, ehe er selbst sich langsam und vorsichtig die Treppe hinauf begab.
Im Laternenschein spiegelten die Glasscherben Blut wieder, welches an ihren scharfkantigen Rändern haftete.
Bruce sah die Scherben am Boden die ins innere des Treppenbereichs gefallen waren und folgte dem Weg zurück zum gebrochenen Geländer.

Sein Herz begann rascher zu schlagen und in seinen Gedanken formte sich ein Szenario was hier geschehen sein musste. Etwas oder jemand war wohl mit hoher Geschwindigkeit durch das Fenster gestürzt. Vielleicht vom Dach des Nachbargebäudes oder gar aus der Luft?
Die Werkbank in der Linie des möglichen Sturzes schien tatsächlich auch etwas abbekommen zu haben. Das Werkzeug lag teils auf dem Boden und dunkle Spritzer, welche Blut sein mochten, malten ein grausiges Bild von der Wucht, mit der das Lebewesen hier hinabgestürzt sein musste.

Seiner Erfahrung körperlicher Lastgrenzen nach musste sich die Person, sofern es sich um eine gehandelt hatte, bei dem waghalsigen Manöver ernste Verletzungen zugezogen haben, wenn es sich nicht gerade um einen unvergleichlichen Akrobaten gehandelt hatte.
Von der Treppe aus sah Bruce am Boden noch eine Brille liegen und zeigte darauf, während er fast an der Stelle auf der Treppe stand, an der das Geländer scheinbar von der Wucht des Sturzes durchschlagen worden war. „Seht euch das an.“
Die Brille wirkte beschädigt und vielleicht gehörte Sie der Person die durch die Scheibe ins Haus gebrochen war?
Mit wachsender Unruhe und doch so leise wie möglich stieg er nun doch bis zum Fenster hinauf. Durch den Weg der Bruchstücke musste recht genau auszumachen sein von wo in das Gebäude, auf so waghalsige Weise, Eingedrungen worden war.
Eine Flucht? Wie Lange konnte es her sein? Seine Gedanken begannen regelrecht Purzelbäume zu schlagen, während seine Anspannung wuchs. Vielleicht war die Person noch im Haus? Vielleicht im Keller?!
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Beitrag von Thorgrimm Fr Apr 12 2019, 04:02

Gilbert war schon fast an der Tür zur Werkstatt angelangt, da schob sich Norly einfach vor ihn und begann mit einigen nichtssagenden Worten voranzugehen. Hatte der Mann etwas zu verbergen oder drängte er sich nur aufgrund von Beschützerinstinkt vor? Die erste Möglichkeit war sehr viel wahrscheinlicher als die Letzte. Es war ja nichts neues, das sich ihr selbsternannter Anführer geheimnisvoll und verdächtig benahm aber seitdem sie den Laden betreten hatten, war dieses Verhalten noch offensichtlicher geworden. Da Gil aber nichts dagegen tun konnte und sich nicht einfach wieder vordrängeln wollte, blieb er zurück und ging erst weiter, als Norly den Weg gebahnt hatte.
Alles was er nun vor sich erblickte schien recht normal. Werkbänke und weitere Treppen, die nach unten und oben führten. Es waren mehrere Werkbänke, sodass die Vermutung nahe lag, dass es Mitarbeiter gegeben hatte. Wenn sie hier nichts fanden, dann konnte man diese Leute vielleicht befragen. Es sollte nicht zu schwer sein, sie ausfindig zu machen - irgendwo hier musste es Unterlagen zu ihnen geben. Verträge oder ähnliches. Gilbert sah sich weiter um und ging bereits auf die Treppe zu, die in den ersten Stock führte, als Norly sagte, dass er alleine nach unten gehen wollte. Nur über seine Leiche. Niemals würde er ihn alleine hier herumschnüffeln lassen. Dafür verhielt er sich viel zu auffällig.
So ganz wusste der Maler auch nicht, ob sein Misstrauen überhaupt gerechtfertigt war aber er konnte es jetzt auch nicht einfach abstellen. Es war einfach ein Bauchgefühl und vielleicht seine angespannten Nerven, die ihm sagten, ein gutes Auge auf Norly zu haben. Gerade als er sich vorgenommen hatte, ebenfalls der Werkstatt einen Besuch abzustatten, rief Bruce, dass er etwas entdeckt hatte. Neugierig folgte er dem Schotten und mit jeder Sekunde die verstrich, bildete sich ein grausigeres Bild. Wie hatte er das nur nicht sehen können? Überall lagen Scherben herum, eine der Werkbänke war getroffen worden und sogar eine Brille lag noch auf dem Boden. Womöglich hatte sie der Person gehört, die gefallen war. "Seltsam." murmelte er, während er die gesamte Szenerie in sich aufnahm. "Es sieht so aus, als wäre jemand durch das Fenster gefallen. Aber nicht einfach so, sondern mit hoher Geschwindigkeit." Er bückte sich und sah sich das Blut an einer Scherbe an. "Als wäre die Person mit Anlauf durch das Fenster gesprungen." Oder war sie vielleicht geworfen worden? War das hier der Schauplatz eines weiteren Mordversuchs?
"Und sie hat überlebt und ist entkommen." Er fuhr mit dem Finger über das Blut. Wie frisch war es wohl? Vor wie langer Zeit war das - was auch immer hier vorgegangen war - passiert? Wohin war diese Person gegangen? Entweder nach oben oder nach unten. "Ich komme mit ihnen." sagte Gilbert schließlich fest entschlossen. Nun ging es nicht nur darum, Norly nicht aus den Augen zu verlieren. Nein, eine weitere Person mochte sich noch hier aufhalten und da war es definitiv nicht schlau, alleine herumzulaufen. "Jemand sollte sich oben umsehen." Dann betrat er die Stufen, die nach unten in die Werkstatt führten. Was mochten sie hier wohl noch entdecken?
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Beitrag von Umbra Mo Apr 15 2019, 01:09

Auf der Treppe, fast vor dem zerstörten Fenster stehend, ergab sich für Bruce ein umfassenderes Bild der Gewalt. Sein und auch Gilberts erster Gedanke, dass jemand durch das Fenster gestürzt oder gesprungen sein musste, war zwar eine Option, doch in halber Höhe zum ersten Stock würde so einer Aktion tatsächlich einiges an akrobatischem Geschick erfordern. Dabei eine Geschwindigkeit aufzubauen, die einen durch das Holz eines Geländers beförderte, würde eine wahre und nicht minder lebensmüde Meisterleistung darstellen. Was hier geschehen sein mochte, schien rätselhaft, doch so meteorgleich das Bild der Zerstörung im ersten Moment wirkte, ließen weitere Blutspuren, die Bruce auf der Treppe ausmachen konnte, auch ein anderes Szenario zu – denn sie begannen nicht unbedingt am Fenster, sondern schienen sich über das gesamte Treppenhaus zu verteilen. Nicht nur auf den Stufen, sondern auch an den Wänden fanden sich Spritzer und Schlieren und nicht zuletzt auch blutige, teils verschmierte Abdrücke von Händen und Schuhen. Vielleicht war es ein Kampf gewesen, der sich hier auf der Treppe abgespielt hatte – die Spuren deuteten auf zwei Personen hin. Möglicherweise war eine von ihnen gepackt und gegen das Geländer geschleudert worden, das dieser massiven Krafteinwirkung nicht hatte standhalten können. Bei der unsanften Landung könnte die Brille verloren gegangen sein. Doch was war danach geschehen? Und was davor?

Die Scherben des zerstörten Fensters waren weit auf der Treppe verteilt, aber auch das musste nicht unbedingt bedeuten, dass die Scheibe von der Außenseite eingeschlagen worden war. Der Menge an sichtbaren Glassplittern zufolge, waren auf jeden Fall nicht alle Überreste der Scheibe im Haus gelandet. Genau genommen müsste sogar der Großteil auf der Straße liegen. Die Kraft, die auf das Fenster geprallt war, hatte demnach wahrscheinlicher Innen aus gewirkt, wie Bruce bei genauerer Betrachtung feststellte. Die zu Boden gefallenen Scherben konnten, wenn man von einem Kampfszenario ausging, möglicherweise auch durch die gegeneinander ringenden Kontrahenten im Raum verteilt worden sein. Einer von ihnen hatte in diesem Szenario wohl die Oberhand gehabt, doch es wirkte so als sei der andere dennoch ein wehrhaftes Opfer gewesen. Eins war klar: Wer schon auf der Treppe viel Blut verteilt hatte, hatte sicherlich auch anderswo an diesem Ort Spuren hinterlassen. Wenn man nun davon ausging, dass das Fenster während der potenziell geschehenen Auseinandersetzung zu Bruch gegangen war, schien zumindest eine Person schien bereits geblutet zu haben, bevor sie mit der Scheibe nähere Bekanntschaft geschlossen hatte – immerhin befand sich im Erdgeschoss, am Fenster selbst, aber auch um Einiges weiter oben auf der Treppe Blut. Die Spurensuche war, soviel war damit ebenfalls klar, noch nicht abgeschlossen. Wenn der Kampf von oben nach unten verlaufen war, mussten im Erdgeschoss noch mehr Spuren zu finden sein – irgendwo mussten die Kämpfenden ja verblieben sein. Allzu viel Zeit konnte seitdem übrigens nicht vergangen sein, einige Stunden vielleicht. Das verschmierte Blut, Spritzer und einzelne Tropfen waren bereits getrocknet, aber kleine Lachen, die sich gebildet hatten, glänzten in der Mitte noch feucht. Wer auch immer da geblutet hatte, hatte eher nicht von Jetzt auf Gleich damit aufgehört und bestimmt eine verfolgbare Spur hinterlassen. Auf den ersten Blick schien allerdings am Abgang in Richtung Keller, den erst Charles und dann Gilbert genommen hatten (wobei Gilbert hatte feststellen müssen, dass Charles längst verschwunden gewesen wa), nichts zu sein. Es blieben der Teil des Erdgeschosses hinter der Werkstatt und die erste Etage als Erkundungsgebiet übrig.



Charles hatte in der Tat nach seiner Ankündigung, sich allein im Keller umsehen zu wollen, nicht auf Absegnung oder Widersprüche gewartet, sondern sich, im Gegenteil, sogar beeilt und sich auf das fokussiert, was vor ihm lag, statt sich mit dem Geschehen hinter sich zu befassen. Sein körperlich angeschlagener Zustand und nicht zuletzt sein Kater wurden ihm nun umso deutlicher wieder ins Bewusstsein gerufen, doch er hatte beschlossen, diese Angelegenheit nun über sich ergehen zu lassen – so schnell wie möglich. Je mehr Stufen er hinter sich ließ, desto eiliger hatte er es. Überwindung brauchte Geschwindigkeit, kein Zögern.

Die hölzernen, ausgetretenen Stufen entglitten ihm. Er spürte seine Beine kaum. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch etwas wahrnahm. Die Welt bestand aus verschwommenem, pochendem, seelenzerreißendem Schmerz. Doch das jähe Gefühl des Fallens hörte ruckartig auf, als der stützende Griff um seine Flanke noch fester wurde. Derjenige, der ihn die Treppe hinunterbugsierte, strahlte unerträgliche Hitze aus. Es musste Drew sein, vielleicht war es aber auch Lloyd. Die beiden stritten sich seit ihrer Ankunft an diesem Ort lautstark mit Cook. Es waren danach erst wenige Sekunden vergangen, doch jedes Geräusch vermittelte Charles das Gefühl, sein Schädel würde jeden Moment bersten.
„Ich habe ihn gewarnt!“, schnarrte die wieselhafte Stimme des Erfinders, über jeden Vorwurf erhaben. „Komplikationen waren abzusehen. Geben Sie mir nicht die Schuld daran! Eigentlich bin
ich derjenige, der sich beschweren sollte, denn dass er Ihnen von mir erzählt hat, ist Vertragsbruch.“
Der Mann ging vor, mit einer Lampe. Charles konnte ihn nicht genau ausmachen. Das Licht stach in seinen Augen.


Der Kellerflur war ein harmloser Ort. Schlicht tapeziert und mit einem exotisch gemusterten Läufer ausgelegt wirkte er wie die Diele eines gutbürgerlichen Hauses – nur dass der Mangel an Fenstern oder an jedweder installierter künstlicher Beleuchtung daraus ein verschrobenes Loch machte, dem man durchaus zutrauen konnte, dass es darin spukte. Die Zeit schien hier stillzustehen. Abgeschottet von der Werkstatt im Erdgeschoss hatte Cook hier tagsüber sicherlich seine Ruhe gehabt… aber besonders des Nachts. Dieser Ort war perfekt, um Dingen nachzugehen, die man nicht unbedingt an die große Glocke hängen wollte. Nicht, bis man sich sicher war, dass sie funktionierten. Nicht, bis man den richtigen Interessenten dafür hatte. Charles ließ die erste Tür zu seiner Rechten außer Acht, denn er wusste, dass sich dort nur ein kleiner Toilettenraum befand. Die hintere Tür führte zu Cooks Wunderland.

Eigentlich handelte es sich um einen recht unscheinbaren Ort. Der Raum war schmal und, wie Charles angekündigt hatte, eng (das war nicht gelogen gewesen). Die Werkbank, die Cook auch als Zeichentisch benutzt hatte, nahm den Großteil des vorhandenen Platzes ein, indem sie sich die gesamte Länge einer (mit technischen Zeichnungen tapezierten) Wand entlangspannte – was immerhin knapp fünf Yards betrug. Wenn man sich zwischen dem Arbeitsplatz und dem wuchtigen, mit Bauteilen und Erfindungen vollgestopften Eichenregal an der gegenüberliegenden Wand bewegen wollte, musste man sehr langsam und umsichtig vorgehen, wenn man vermeiden wollte, irgendetwas von seinem angestammten Platz gen Boden zu befördern. So genial Cook auch gewesen sein mochte, war er kein Experte darin gewesen, Ordnung in dieses Zimmer zu bekommen. Momentan, so wusste Charles, sah es hier noch einigermaßen human aus. Seit seinem letzten Besuch hier hatte jemand versucht, aufzuräumen, und zumindest die Bücher- und Papierberge gestapelt. Vermutlich war das aber auch nur ein Anzeichen davon, dass sich ein etwas pedantischeres Mitglied des Yards oder wer anders (vielleicht ja dieser mysteriöse Mr. C) durch Cooks Unterlagen gearbeitet und sie nach vollbrachtem Schaffen wieder auf der Werkbank abgeladen hatte. Grund genug, diese Unterlagen, obgleich sie durchaus interessante Dinge enthalten könnten, erst einmal zu ignorieren. Jemand, der ganze Gebäude sprengte, um etwas zu vertuschen, würde nicht den Fehler machen, zugängliche Unterlagen nicht verschwinden zu lassen. Anders sah es mit Unterlagen aus, von denen ein solcher jemand nicht wusste, dass sie existierten.

So fand Gilbert, nachdem er dem Schein der Lampe leicht hatte folgen können, Charles inmitten von Cooks Sammelsurium wieder. Statt sich für irgendetwas Ausgefallenes zu interessieren, was dieser Raum zu bieten hatte, wühlte er stattdessen in einer Werkzeugkiste herum und schien verschiedene Schraubendreher genauer zu begutachten. Als er sich für einen entschieden hatte und aufsah, bemerkte er, dass er nicht mehr allein war. Warum auch immer Mr. Wright sich entschlossen hatte, ebenfalls in den Keller zu steigen: es bereitete Charles Unbehagen, dass es so war. Ein Beobachter stresste ihn mehr als dieser Ort allein es schon tat, denn nun musste er darauf achten, Haltung zu wahren. Er spürte den Schweiß an seinen Schläfen und seinem Kragen perlen, gab sich nun aber Mühe, gelassen zu wirken. Sich einzureden, Herr über die Lage zu sein, half nicht, wenn man nicht davon überzeugt war und innere Unruhe verspürte, die vergleichbar war mit einem Bau voller umherwuselnder Ameisen – vorausgesetzt diese Ameisen setzten seine linke Hand in Flammen. Charles spürte sie, in diesem Moment, obwohl sie bereits seit Jahren nicht mehr Teil seines Körpers war, und zwar in einer Mischung aus pulsierendem Schmerz und der gleichzeitigen Taubheit, die man aus Situationen kannte, in denen eingeschlafene Gliedmaßen langsam wieder brauchbar wurden. Charles ballte die mechanischen Finger seiner Prothese immer wieder zur Faust, so wie er es auch mit einer normalen Hand getan hätte, um die Krämpfe abzuschütteln, die aber einfach nicht aufhören wollten. Das würde mit Sicherheit Muskelkater in dem Teil seines Arms zur Folge haben, der noch aus Fleisch und Blut bestand. Phantomschmerz nannte man dieses sonderbare Phänomen – es war Charles nicht fremd. Hin und wieder trat er, wie aus dem Nichts, zufällig auf, aber nun belästigte er ihn sicherlich, weil Charles diesen Ort mit den sehr unangenehmen Monaten verband, in denen er diesen Keller sehr genau hatte kennenlernen dürfen. Sicherlich sah Charles (so vermutete er zumindest angefressen) wie ein Dorftrottel aus, während er immer wieder mit der linken Hand herumzappelte und gleichzeitig versuchte, seriös und konzentriert zu wirken, als er mit dem erbeuteten Schraubendreher begann, eine Schraube aus einem der vielen Winkel zu lösen, mit dem das Eichenregal offenbar an der Wand befestigt worden war.

„Ich weiß nicht“, ergriff Charles einfach das Wort, um es gar nicht erst zu einer Situation kommen zu lassen, in der Gilbert nichts anderes zu tun hatte als ihn zu beobachten, „was man Cook in seinen letzten Momenten hat entlocken können. Ich gehe, selbst mit meinen neuen Erkenntnissen, davon aus, dass die Art seines Todes nicht willkürlich war.“
Es wäre auch schwer, an Willkür zu glauben, nachdem man den bedauernswerten Mann auf sein eigenes Bett gefesselt gefunden hatte – mit eindeutigen, blutigen Zeugnissen davon, dass sein Ende langsam und grausam gewesen war.
„Der Zweck hinter Folter ist im Allgemeinen Informationsbeschaffung. Doch Folter ist da nicht das beste Mittel“, gab Charles seine Einschätzung dazu preis, von der er vollkommen überzeugt klang. Und recht distanziert. Von dem emotionalen Ausbruch, den er gestern gehabt hatte, als Mrs. Thomson einen Kommentar zu Cooks Ableben gegeben hatte, war er nun weit entfernt.
„Wenn jemand ein Geheimnis wirklich behalten will“, philosophierte er weiter, „gibt er es auch unter Schmerzen nicht preis.“
Inzwischen hatte er die Schraube gelöst und legte sie auf die Werkbank, sorgfältig parallel zur Tischkante. Das Reden half Charles, sich selbst abzulenken, also ließ er die Worte einfach aus sich heraussprudeln. Dabei gestikulierte er mit dem Schraubendreher in der rechten Hand und klemmte die linke Hand hinter den Rücken, damit sie nicht mehr so zitterte.
„Ein Folterer erhält erwartungsgemäß nicht die Wahrheit, sondern wird mit irgendwelchen ausgedachten oder halbwahren Fakten abgespeist, damit er schnellstmöglich von seinem Treiben ablässt – und wenn man klug ist und man weiß, dass man die Sache nicht überleben wird, gibt es nur wenige Gründe, seinen Peiniger nicht in eine falsche Richtung zu lenken. Ich gehe fest davon aus, dass Cooks Heiligtum vollkommen unberührt ist, denn er war einer der klügsten Männer, die ich je kennengelernt habe. Nicht sonderlich leutselig“, fügte er an und hatte tatsächlich kurz ein anerkennendes Schmunzeln auf den Lippen, „aber jemand mit seinen Talenten konnte sich das leisten.“
Charles hob den Schraubendreher nun betont an und steckte ihn in das Bohrloch der Schraube, die er soeben entfernt hatte. Es war tatsächlich tiefer als es nötig gewesen wäre. Mit dem Werkzeug hatte er jedoch kein Problem, weit genug vorzudringen, um den Druckmechanismus auszulösen, den Cook dort verborgen hatte – unsichtbar für das bloße Auge. Ein metallisches Klicken war gut hörbar zu vernehmen und unter der Werkbank setzten sich zwei Holzdielen in Bewegung, die, wie der Deckel eines riesenhaften Schmuckkästchens, nach oben klappten. Die Bretter waren, auch wenn sie eine verborgenes Türchen bildeten, versetzt zueinander und im Einklang zum sonstigen Versatz der Bodendielen, sodass diese Stelle für einen Unwissenden recht unmöglich als Geheimfach erkennbar gewesen wäre.
Charles hatte sichtlich Freude daran, diese Tüftelei vorzuführen – auch wenn dies beinhaltete, dass er sich (leise vor Schmerz ächzend) auf die Knie sinken lassen und unter den Tisch kriechen musste. Er steckte den Schraubendreher, den er mitgenommen hatte, in seiner Jackentasche, tastete nach der Lampe und zog sie zu sich, um eine bessere Sicht auf die Dinge zu haben.
„Cooks Erfindungen“, meinte er von dort aus und der Klang seiner Stimme war nun etwas von Anstrengung geprägt, „waren ihm wichtiger als sein Leben – und eindeutig wichtiger als das Leben anderer.“
Charles war vorsichtig, als er nach dem Rand des Geheimfachs griff und den Deckel komplett hochklappte. Darunter verbarg sich, das war auch von Gilberts Position erkennbar, um eine Vertiefung im Boden, in die ein Hebel eingelassen war, den Charles nun eingehend beäugte. Er hielt nach verdächtigen Verschmutzungen bestimmter Art Ausschau, konnte aber keine ausmachen.
„Ich war kurz nach seinem Tod schon einmal hier, um mich zu vergewissern, dass sich niemand an diesem Versteck zu schaffen gemacht hat“, erzählte Charles, „und wie es aussieht, hat sich auch inzwischen daran nichts geändert. Komplotte basieren darauf, dass ein Zahnrad innerhalb der Maschinerie nicht weiß, was das andere tut. König ist der mit dem Bauplan… das glaubt er zumindest. Wenn die Zahnräder ihr Eigenleben entwickeln – zum Beispiel, weil sie absolut paranoid und selbstverherrlichend sind wie Cook es war… dann entgleitet dem Puppenspieler die Kontrolle.“
Ohne Anstalten zu machen, nach dem verborgenen Hebel zu greifen, kroch Charles wieder halb unter dem Tisch hervor. Er war etwas außer Atem.
„Sehen Sie“, er deutete auf das winzige Loch in der Wand und dann auf das Geheimfach unter dem Tisch. „Selbst wenn man den Raum vollkommen leergeräumt hätte, wäre das alles hier verborgen geblieben. Ein Loch von vielen in der Wand, ein Geheimfach, das sich selbst nicht verrät, wenn man den Boden abklopft, um nach Hohlräumen zu suchen – da war Cook sehr stolz drauf. Ein raffinierter Mechanismus. Das ist aber noch nicht alles.“
Charles runzelte die Stirn und verschwand wieder unter der Werkbank.
„Wenn ein findiger Einbrecher oder Ermittler so weit gekommen wäre wie wir nun, hätte die Betätigung des Hebels schnell die Euphorie geraubt, selbst mit Handschuhen. Sehr scharfe, in Gift getränkte Dornen“, erklärte Charles und zeigte auf den Hebel, an dessen Unterseite er diese wusste – aber auch verteilt im Rest des Geheimfachs.
„Strychnin. In Indien sehr beliebt, hier nicht weniger. Scheußlicher Tod, glauben Sie mir. Im Grunde ist dies eine große Rattenfalle.“
Charles langte in seine Tasche und zog wieder den Schraubendreher hervor, mit dem er in der rechten hinteren Ecke des Geheimfachs einen Riegel löste – was zur Folge hatte, das sich ein Stück der Wandvertäfelung unter der Werkbank löste, die einen Kriechgang zu einem benachbarten, versteckten Zimmer preisgab.
„Paranoid, sagte ich bereits.“ Es war Ironie des Schicksals gewesen, dass diese Paranoia nicht unbegründet gewesen war.
„Cook hat die Existenz dieses Orts bestimmt nicht preisgegeben“, davon war Charles überzeugt. Er drückte das giftbestückte Geheimfach wieder zu, das mit einem Klicken einrastete. So musste niemand, der hier unten im Staub herumkrabbelte wie ein Insekt, befürchten, versehentlich hineinzufassen.
„Er wäre, wie Sie sehen, über Leichen gegangen, um seine Geheimnisse zu wahren – wahre und zugleich erschreckende Passion. Vielleicht hat er sie mit noch weiteren Fallen versehen. Also seien Sie auf der Hut, wenn Sie an Ihrem Wohlergehen hängen.“
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Mo Apr 15 2019, 18:20

Der Vorsatz, einen kühlen Kopf zu behalten, wurde mit jedem Moment, als das Bild vollständiger wurde mehr auf die Probe gestellt. Das ganze sah nach einem Handgemenge auf der Treppe aus. Wer hatte hier wen überrascht? Hatte Norly nicht gesagt, der Besitzer des Geschäfts wäre nicht mehr am Leben?
Die Alarmglocken des Schotten ringten wie wild, während er vor seinem geistigen Auge verschiedene Kampfszenarien ablaufen lies. Was Zweikampf betraf traute er sich eine Art Expertenstatus zu, auch wenn es sich in diesem Fall um eine wüste Rauferei gehandelt haben musste und vermutlich wenigstens einer der Beiden wohl ein Messer oder eine andere Waffe besessen hatte. Vielleicht auch ein einfaches Werkzeug aus dem Geschäft.

Was jedoch viel mehr zur Beunruhigung beitrug, war das starke Gefühl, dass sich hier gerade ein Muster wiederholte, auf welches Charles Norly schon mehrfach hereingefallen war. Es lag auf der Hand, dass ihre Gegner über diesen Schritt Norlys zumindest gut informiert sein konnten und vielleicht hatte man hier ein weiteres mal eine Leiche für sie deponiert, um nach ihrem Eintreffen hier die Polizei auf ihren Hals zu hetzen. Ein weiterer Scarface Mord.
Dem Kampf nach könnte etwas schief gelaufen sein, jedoch deuteten die Blutspuren darauf hin, dass der Täter wohl recht eindeutig die Oberhand behalten hatte. Schleifspuren sah er keine, aber vermutlich war das Opfer hier auch noch nicht zu Tode gekommen. Da sie unten bisher nichts gefunden hatten war die Chance wohl größer, die Leiche und vielleicht auch den Täter im Obergeschoss vorzufinden.
Bruce hatte mit dem Gedanken gespielt die Gruppe zum Rückzug zu animieren, jedoch war Charles bereits verschwunden und Gilbert, der ihm hinterher geeilt war, würde ihn zumindest über die Funde in Kenntnis setzen.

Das richtige tun. Es klang fast lächerlich in dieser grenzenlos dummen Situation, in welche ihn seine Neugier hinein manövriert hatte. Rasches Handeln schien der einzige Weg zu sein und da es schwierig war, in dieser so eigenmütigen Gruppe eine Richtung vorzugeben nahm er das Schicksal lieber selbst in die Hand und schritt zielstrebig nach oben, nachdem er einen kurzen prüfenden Blick aus dem Fenster geworfen hatte. Es war nicht zu tief um notfalls dadurch zu entkommen, oder es zumindest zu versuchen.
Ihm war bewusst, dass ihr Eindringen ins Untergeschoss sicher nicht unbemerkt geblieben war, wenn sich hier noch jemand aufhielt und er damit vielleicht direkt ins offene Messer lief.
Lieber jedoch er, statt einer der Anderen. Das Gebäude war eng genug, dass es hier auf Reaktionsvermögen ankam und selbst eine Pistole würde keinen sicheren Vorteil gewähren, da man im Halbdunkel wohl nicht gezielt feuern konnte. Schüsse wiederum würden die Polizei auf den Plan rufen, was wohl selbst einem lauernden Mörder hier nicht in den Kram passen würde.
Szenario zwei und vielleicht das gefährlichere hatte sie wohl hier mit einer frischen Leiche zurückgelassen und in diesem Fall war die Polizei vielleicht schon auf dem Weg hierher und würde das Haus umstellen. Bruce kribbelte bei der Vorstellung unbehaglich.

Sie waren eigentlich zu viele und Charles und Dr. Tremaine auf keinem Fall in einem Zustand in dem an Flucht überhaupt zu denken war. Nun, Angstgedanken würden ihnen hier nicht weiterhelfen und für den rettenden Einfall fehlte ihm gerade noch der entscheidende Trigger. Er hoffte inständig, dass wenigstens Norly hier Antworten finden würde, denn ihm rief dieser Ort Rätsel wach, mit denen er sich gar nicht beschäftigen wollte. Einen Moment hatte er mit dem Gedanken gespielt, die Brille zu verwenden, wenn es oben stockfinster wäre, jedoch würde sie sein Sichtfeld empfindlich einschränken und sofern wirklich jemand dort lauerte waren seine Sinne und Reflexe sein einziger Trumpf.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Thorgrimm Mo Mai 06 2019, 15:50

Sehr viel länger beschäftigte sich Gilbert nicht mehr mit der Szenerie auf der Treppe. Er war schon neugierig und wollte herausfinden, was dort genau vor sich gegangen war aber er wusste auch, dass er Prioritäten setzen musste. Eine dieser Prioritäten war es, Norly nicht aus den Augen zu verlieren und bei ihm zu bleiben. Ohnehin war er kein Detektiv und würde die gegeben Hinweise wahrscheinlich zu einem falschen Puzzle zusammensetzen. Der Rest würde schon damit klarkommen, da war er sich sicher. Er drehte sich also zu den Treppen um, die in den Keller führten und suchte dabei den Raum nach Norly ab. Doch der war nicht zu sehen. "Verdammt." fluchte der Maler halblaut. Kaum ließ er den Mann mal für einen Moment aus den Augen, nutzte dieser die Gunst der Stunde und verschwand. Ein Zufall war das sicherlich nicht. Norly wollte nicht, dass man ihm auf die Pelle rückte. Einen besseren Grund, es doch zu tun, gab es also nicht. Sofort machte sich auch Gil auf den Weg in den Keller.
Während er hinunterlief, meinte er weitere, hastige Schritte auf den Stufen hören zu können. Norly hatte es also ganz schön eilig. Er legte selbst ebenfalls einen Zahn zu. Unten angekommen war er über das Aussehen des Flurs doch etwas überrascht. Wäre er nicht gerade in einen Keller gegangen, würde er davon ausgehen, ein Wohnhaus betreten zu haben. Nicht seines aber das einer weniger wohlhabenden Familie. Am Ende des Ganges konnte er ein Licht ausmachen, welches auf Norlys Standort hindeutete. Es tat ihm zwar etwas in der Seele weh, sich nicht umsehen zu können und eine der Türen zu öffnen aber er war fest entschlossen, seinem Plan zu folgen. Wenn Norly dahinten in den Raum herumwerkelte war es bestimmt auch der Raum, der am meisten bot. Er lief ohne Umschweife durch den Flur zu dem Arbeitsplatz Cooks. Denn als sich Gil dort umsah, war er sich sicher, dass es sich um nichts anderes als das handelte. Eine Werkbank und Wände voller Pläne und Blaupausen. Hier hatte das Genie also gearbeitet. Gilbert würde sich selbst durchaus als Künstler sehen und Erfinder waren das auch aber trotzdem waren sie grundlegend verschieden. Hier würde er nicht malen können. So trostlos, in einem kalten Kellerraum. Aber jeder so wie er wollte.
Interessanter war aber fast noch Norly, der dort in einer Werkzeugkiste nach irgendetwas suchte und dabei so aussah, als würde er sich nur schwer beherrschen können. Er schwitzte stark, was nicht an der Temperatur liegen konnte und ballte seine Hand immer wieder krampfhaft zur Faust. Ein sehr seltsamer Anblick, den Gilbert allerdings für den Moment nicht weiter kommentierte. Vielleicht forderten die letzten Stunden und Tage endlich ihren Tribut. Sie alle hatten viel erlebt und noch mehr durchgemacht. Es war nur natürlich, dass man sich nicht ganz normal verhielt. Trotzdem war an Norly irgendetwas besonders komisch.
Fast noch seltsamer waren die Worte, die nur so aus ihm herauszusprudeln schienen. Folter und Informationsbeschaffung. Ob er unbewusst über diese Themen sprach, weil er sich an diesem Ort oder in der Situation daran erinnert fühlte? Wer wusste das schon. Es schien, als wolle er einfach über irgendetwas sprechen. So wirklich wollte Gil nichts von Folterung hören und ob diese erfolgreich war oder nicht. Er zuckte mit den Schultern. "Da mögen sie schon Recht haben." sagte er nur, als Norly davon sprach, dass diese Form der Informationsbeschaffung selten Erfolg hatte. Machte ja auch Sinn, dass man lieber irgendetwas von sich gab - vor allem wenn man die richtigen Antworten nicht hatte - damit die Folterung aufhörte.
Interessanter wurde es dann, als Norly alle möglichen versteckten Mechanismen nacheinander löste und damit einen Geheimgang offenbarte. Wieso er so viel Ahnung davon hatte und wusste, wo sie sich befanden und wie man sie betätigte, erklärte er daraufhin auch direkt, bevor Gilbert fragen konnte. Trotzdem hörte er gut zu, was der Mann da von sich gab. Er sagte, dass er sich vergewissern wollte, dass niemand sich an dem Versteck zu schaffen gemacht hatte. Dass bedeutete aber, dass er schon vorher davon gewusst hatte. Irgendetwas stimmte an der Sache ganz und gar nicht. Irgendetwas übersah er. Doch was? Nachdenklich fuhr sich Gilbert über seinen Schnauzer. Hätte er doch in den letzten Stunden und Tagen weniger Zeit mit Selbstmitleid verbracht. Nun konnte er wichtige Puzzleteile nicht zusammensetzen.
Während Norly weiterhin vor sich hinbrabbelte und der Maler ruhig blieb, wurden weitere Geheimnisse offenbart. Gift getränkte Dornen. Wenn er Norly vertrauen durfte, dann würde das nicht die einzige Falle bleiben. Dazu war es auch noch ein schrecklicher Tod und während er so darüber nachdachte, fragte er sich ein weiteres Mal, wieso er das eigentlich alles tat. Wieso krochen sie hier in einem lebensgefährlichen Labor rum?
"Sie sagten, hier hätte sich nichts geändert. Niemand war hier. Wieso wollen sie also unbedingt nach Cooks Erfindungen und Geheimnissen sehen? Wie bringt uns das nun weiter, wenn sowieso niemand hier gewesen ist?" Eigentlich eine einfache Frage, die man schnell beantworten konnte. Gilbert wusste natürlich, weshalb sie hier waren aber es wäre bestimmt ganz interessant, wie Norly antwortete. Er redete sich ja sowieso schon um Kopf und Kragen. Vielleicht sollte er noch einen draufsetzen. Manchmal war etwas Druck ja ganz gut, um den Informationsfluss zu fördern. "Und wie genau sah ihre Beziehung mit Cook aus? Seitdem wir hier sind, schwitzen sie wie aus Eimern. Sie verkrampfen ihre Hand und reden ohne Punkt und Komma. Sie wissen alles über diesen Raum und seine Geheimnisse. Und das schon lange." Norly musste ihm nicht antworten und vielleicht tat er das auch nicht aber einen Versuch war es Wert. Einfach mal direkt nachfragen, ohne um den heißen Brei herumzureden. "Dass sie Geheimnisse haben, ist nichts neues aber ich finde, es ist an der Zeit, mit ein paar Informationen herauszurücken. Ich werde nicht umsonst mein Leben aufs Spiel setzen in diesem..." Er suchte nach passenden Worten. "... dieser Folterkammer." Einen Raum voller tödlicher Fallen konnte man nicht anders bezeichnen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Elli Fr Mai 10 2019, 16:06

Melinda agierte aktuell nicht, sie reagiert lediglich. Diese Gruppe, wie sie mittlerweile war, war nicht mehr das was sie Anfang für die Hure gewesen war. Nie hatte sie sich gefühlt, als habe sie eine Familie, noch Freunde und so absurd es nun klang, früher hatte sich das hier genauso angefühlt. Doch alles hatte sich verändert. Randolph war nicht mehr für sie erreichbar, er war nun nur noch ein Mann, denn sie gut gekannt hatte und nun – gar nicht mehr. Er war ihr in so kurzer Zeit fremd geworden, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte. Charles, ach Charles, was wusste sie schon was hier überhaupt los war. Als die ganze Sache hier angefangen hatte, da hatte sie immerhin noch helfen können, es tun! Nützlich sein. Da hatte ihr Tag nicht nur daraus bestanden die Beine breit zu machen. Nun? Tja nun war sie nutzloser Teil der Gruppe, der eben einfach dabei war. Wie der alte Großvater, den man zum Essen vom Kamin an den Esstisch brachte, aber so richtig niemand mit ihm reden wollte, aber er war nun mal da. Man musst ab und an etwas sagen, damit er nicht einschlief und mit dem Gesicht in die Suppe fiel. Sie war die, die gerade in die Suppe fiel. So fühlte sie sich auch. Es fühlte sich an, als würde sie etwas tief, tief, tief unter Wasser ziehen wie ein riesiger Kraken, der sie nie wieder loslassen würde. Sie würde ertrinken. Alleine, während sie von Menschen umgeben war.
Mit Mühe kozentrierte sie sich auf die aktuellen Geschenisse, wie die anderen sah sie sich die Unordnung an. Glas, Holz, alles zersplittert. Doch nicht einmal das konnte sie gerade interessieren. Vor ein paar Tagen hätte sie das alles brennend interessiert und wäre spannend gewesen, doch nun…war da nichts. Sie schüttelte langsam den Kopf, ging die Treppe wieder herunter und ging vor die Tür, wo sie sich an die Wand des Hauses lehnte und in die Nacht starrte. Vielleicht sollte sie doch wieder ihrer eigenen Wege gehen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra Fr Jun 21 2019, 10:37

Charles kniete im Staub neben Cooks Werkbank, schwer atmend als hätte er gerade eine Laufstrecke hinter sich, und blickte mit finsterer, harter Kritik im Blick zu Gilbert hinauf. „Folterkammer“… Wenn Wright nur wüsste, wie sehr er mit diesem Begriff den Nagel auf den Kopf traf. Es waren fiebrige Erinnerungen voller Schmerz, Scham und Opiumnebel, die Charles mit diesem Ort verband. Aber das ging Gilbert überhaupt nichts an. Die aufdringlichen Fragen und das Herumhacken auf Charles‘ aktueller Befindlichkeit, reizte ihn gehörig. Ja, dieser Ort machte ihn nervös, und ja, er wusste viel mehr als er preisgab. Aber einen Teufel würde er tun, Mr. Wright in dieser Situation sein Herz auszuschütten und Geheimnisse preiszugeben, die von privater Natur waren. Es reichte schon, dass die Presse öffentlich sein Leben zu sezieren versuchte und dies den mörderischen Verschwörern noch viel effektiver gelang… zu effektiv.
„Ich kenne diesen Ort besser als mir lieb ist“, gab Charles düster und abweisend zu, es war nur ein kleines Zugeständnis, „… wobei das in dieser Situation zu unserem Vorteil gereicht. Wenn Sie ein wenig besser zuhören würden, anstatt sich damit zu beschäftigen, mich in Verlegenheit bringen zu wollen, müsste ich nicht alles zehnmal erklären.“
Er griff mit seiner rechten Hand an die Tischkante, um ein wenig Halt zu finden, da er sich nun wieder auf die Beine hievte. Auf Augenhöhe fühlte er sich besser als kauernd wie ein Tier. Gilbert sollte keinesfalls den Eindruck bekommen, dass Charles sich von ihm in die metaphorische Ecke drängen ließ (wobei die Enge dieses Raums die Sache nicht unbedingt nur beim Metaphorischen beließ).
Nicht ganz ohne sarkastischem, anklagendem Unterton in der Stimme, fuhr Charles fort, während er mit Gilbert mit seinem Blick verurteilte: „Ich helfe Ihrer scharfen Beobachtungsgabe auf die Sprünge: ich verbinde nicht gerade positive Erinnerungen mit Cook, besonders nicht mit seinem grausigen Ableben, das mir bekannterweise in die Schuhe geschoben wurde“, und sehr besonders mit den Ereignissen, die sich vor Jahren in diesem Keller hier abgespielt hatten.
„Ein gewisses Maß an Unbehagen sei mir also verziehen – und das hier“, er hob zur Verdeutlichung seine linke Hand ein kleines Stück, auf die Gilberts unverblümte Aufmerksamkeit gefallen war, „macht es nicht gerade besser.“
Gilbert wusste nicht, was es damit auf sich hatte und Charles hatte nicht vor, das zu ändern. Er trug nicht ohne Grund stets einen Handschuh darüber und nahm diesen nur ab, wenn es sich nicht vermeiden ließ. So unecht, wenn auch funktional diese Prothese sein mochte: momentan fühlte es sich danach an, als würde sich mehrere Lunten im Takt von nur wenigen Sekunden pulsierend vom Ellenbogen in seine Fingerspitzen brennen.
„Ich habe starke Schmerzen, Sie Genie“, knurrte er angespannt. „Ich muss mich gerade ernsthaft zusammenreißen, mich nicht stöhnend am Boden zu winden.“ Übertrieben war diese Aussage nicht. Diese Situation zehrte an seinen körperlichen und geistigen Kräften. Die abseits bereits bestehende Angeschlagenheit und der Kater forderten zudem ihren Tribut. Ohne ein gewisses Maß an Sturheit wäre er sicher schon zusammengesackt. Es war kein Wunder, dass der Schweiß nur so an ihm herunterrann und er sich ein wenig benommen fühlte. Aber auch wenn er sich schon diese Blöße gab, würde er nun nicht einknicken und sich Gilberts Neugier zur Verfügung stellen wie ein offenes Buch. Dieser musste sich mit dem zufriedengeben, was Charles bereit war, preiszugeben.
„Eine alte Verletzung“, kommentierte er das Handthema noch abschließend, „die sich dann und wann wieder bemerkbar macht… doch diese Angelegenheit hier ist zu wichtig und wir dürfen keine Zeit vergeuden.“
Charles setzte sich halb auf die Kante der Werkbank und gönnte sich kurz eine Pause von wenigen Atemzügen, die er aber nicht nur zum Luftholen nutzte, sondern sich auch oberflächlichen Dreck von der Kleidung klopfte.
„Ich nehme an, Cook selbst wurde gefoltert, um ihm ein bestimmtes Geheimnis zu entlocken“, erklärte er dann, wieder gefasster, auch wenn es ihn nervte, dass Gilbert noch nicht verstanden hatte, was der Besuch an Cooks Arbeitsplatz bezwecken sollte (immerhin hatte Charles es mehrmals und, wie er fand, schlüssig erklärt), „und ich möchte behaupten, dass er seine Geheimnisse stets gut verwahrt hat. Bisher war ich davon ausgegangen, dass es mit mir persönlich zu tun haben musste, immerhin haben sich der wahre Scarface und seine Hintermänner sehr viel Mühe gemacht, mein Privatleben auseinanderzupflücken. Nicht dass Cook viel hätte beisteuern können. Wir waren nicht gerade gute Freunde, ich bezog in den letzten Jahren nur hin und wieder Auftragsarbeiten von ihm. Dass dieser Ort hier nach Cooks Tod unangerührt verblieb, sprach dafür, dass er selbst unter Folter nicht mit seiner Existenz rausgerückt ist… also hatte ich bisher keinen Grund, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Bis heute. Verstehen Sie nicht?“
Charles schnaufte und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich dort am Schweiß festgesaugt hatte.
„Ich bin optimistisch, hier auf etwas zu stoßen, das eine Verbindung zwischen Cook und der vertuschten Zerstörung der Maschinerie schafft, die wir vorhin besichtigt haben. Wenn Bruce Recht hat und die Scarface-Morde dazu dienen, Dinge zu verschleiern, Dinge, die mit eben dieser Vertuschung zu tun haben, dann werden wir hier Beweise dafür finden. Beweise und Antworten. Ich bin es leid, nicht zu wissen, warum man mir das antut. Ich bin es leid, nicht zu wissen, worum es hier eigentlich geht. Für einen lediglichen Racheakt an mir geht das Ganze bereits seit Langem entschieden zu weit. Ich sehe die Verbindungen noch nicht. Aber ich bin ihnen dicht auf den Fersen, das ist mir bewusst und das ist ihnen bewusst. Ihnen entgleitet die Kontrolle, also greifen sie zu immer perfideren Mitteln wie meine Freunde zu ermorden oder meine…“ Tochter? Er sprach es nicht aus. Wieder eine Sache, die er nicht mit Gilbert besprechen wollte. Es erfüllte ihn nur mit Wut und Trauer, darüber nachzudenken. Und mit Entsetzen. Wer auch immer Johanna in seine Nähe gebracht hatte, ob sie nun seine Tochter war oder Timothys oder wessen auch immer, hatte sich damit sehr große Mühe gemacht… nur, um ihn, Charles, zu brechen.
„Ich muss es verstehen, bevor ich es zulassen kann, dass der Abgrund mich mit Haut und Haaren verschlingt. Können Sie das nicht nachvollziehen?“
Charles gab einen frustrierten Brummlaut von sich.
„Gehen Sie wieder nach oben oder stehen Sie mir zumindest nicht im Weg, wenn Sie schon nicht helfen wollen.“



Bruce hatte sich entschieden, den Kampfspuren im ersten Geschoss auf die Schliche zu kommen. Wenn die Auseinandersetzung auf der Treppe begonnen hatte und einer der Kontrahenten über das Geländer gestoßen worden war, hatte er sich zumindest unten fortgesetzt. Aber wie genau erklärte das die Blutspuren oben, denen Bruce gerade folgte? Es gab blutige Handabdrücke und Schlieren an den Wänden und Tropfen, die zu Boden gefallen waren. Die blutigen Finger an der Tapete des oberen Flurs deuteten in Richtung Treppe – also sprachen sie dafür, dass sich die blutende Person auch in diese Richtung bewegt hatte. Nach unten. Je mehr Bruce davon sah, desto sehr änderte sich das Szenario, an das er eben noch zurechtgelegt hatte. Der Kampf hatte oben begonnen, da war er sich nun ziemlich sicher. Den genauen Ort hatte er schnell gefunden: es handelte sich um ein Büro, in dem ein umgeworfener Stuhl und am Boden verteilte Papiere und Unterlagen, von denen sich rote Blutspuren deutlich abhoben, das neue Bild vom Ablauf des Geschehens untermauerten. Bruce hatte Erfahrung mit Blutspuren. Beim Boxen ging es selten unblutig zu. Traf man mit so großer Gewalt auf Fleisch, dass die Haut aufplatzte, spritzte das Blut mit der Wucht des Schlages davon und bildete dort, wo es auftraf, längliche Spritzer. Die Menge an solchen Blutspritzern, die hier zu finden war, sprach dafür, dass oft zugeschlagen worden war. Wieder und wieder. Vielleicht war auch ein Messer im Spiel gewesen. Verschmierte Schlieren am Boden… es hatte eine Rangelei gegeben, bei der vermutlich das Papier vom Schreibtisch auf den Boden befördert worden war. Das Opfer musste es geschafft haben, aus dem Raum zu fliehen. Wahrscheinlich war es auf der Treppe vom Täter wieder eingeholt worden. Das Fenster war zu Bruch gegangen… und einer der Beteiligten war über das Geländer in die Werkstatt gestürzt. Wie war es dann weitergegangen?
Abgesehen vom angerichteten Chaos fiel Bruce im Obergeschoss allerdings nichts weiter auf. Hier waren nur einige Büroräume, eine kleine Küche und ein Bad. Keine versteckten Missetäter.


Zuletzt von Umbra am So Jun 23 2019, 03:01 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Elli Fr Jun 21 2019, 10:49

Während Melinda die anderen zurückließ und nach draußen verschwand, ließ sie Oxley, der im Geschäftsraum verblieben war, um durch die Vorhänge die Straße im Auge zu behalten, keine Zeit, sie davon abzubringen. Der alte Mann wirkte besorgt, als sie an ihm vorbeihuschte. Erst dachte sie, er sei ihr doch gefolgt, als sich nur wenige Augenblicke, nachdem sie sich draußen an die Hauswand gelehnt hatte, die Tür erneut öffnete, doch tatsächlich erblickte sie die geplagte Gestalt von Randolph, der sich links und rechts nach möglichen Beobachtern umsah, bevor er sich schließlich komplett nach draußen wagte und an Melindas Seite humpelte. Seine kalten, grauen Augen musterten sie scharf.
„Du solltest nicht allein hier draußen sein. Die Wahrscheinlichkeit ist immer noch hoch, dass das hier eine Falle ist. Dort ist überall Blut. Und Charles ist dumm genug, diesem Schläger Bruce zu vertrauen und uns alle mit ins Verderben zu reißen. Sah nichtmal so aus, dass ihn das Chaos interessiert hätte. “
Melinda zuckte mit den Schultern. “Ich bin fast immer alleine. Was machst du hier draußen? Nach mir sehen? Keine Sorge niemand in der Nähe, den ich angeblich umbringen könnte.“
„Ob du es glaubst oder nicht, ich mache mir Sorgen um dich.“
“Wie ehrenhaft von dir. Sogar diesmal ganz ohne Drohung, was du mit mir machen wirst, wenn ich mich alleine draußen aufhalte?“
„Du bist nicht mein Eigentum. Ich wollte dir nie drohen“, knurrte Randolph. „Ich kann dich aber auch nicht vor dir selbst schützen, wenn du mir nicht zuhörst. Charles ist gefährlich… und nicht nur, weil er absolut leichtsinnig ist. Wer weiß schon, was in ihm vor sich geht? Er hat dich verfolgt, Melinda! Er hat dir nachgestellt und dich ausspioniert. Bevor er dich entführt und sich an dich herangeschmissen hat.“
“Dennoch hast du es getan. Was ist dein erdachter Selbstschutz für mich? Mein Tod? Darauf bin ich gerade nicht aus, mein Lieber. Bist du nur nach draußen gekommen um mich zu belehren, wie gefährlich London ist? Denn dann, muss ich dir leider sagen, dass ich das durchaus weiß.“ Melinda legte den Kopf schief. “Vielleicht sogar besser als du.“
Randolph schnaubte frustriert. „Ja, du bist Teil davon. Und das ist meine Schuld. Ich war nicht für dich da, als du mich gebraucht hättest. All die Jahre. Ich kann wohl nicht ändern, was aus mir geworden ist. Und auch nicht, was aus dir geworden ist. Ich kann das nicht wiedergutmachen. Ich kann nur versuchen, an deine Vernunft zu appellieren, wenn noch etwas davon übrig ist.“
Melinda zuckte mit den Schultern. „Du warst mehr da, als irgendjemand sonst. Doch du hast mir gezeigt, dass ich auch darauf nicht verlassen kann. Du glaubst lieber jemandem den du nicht einmal kennst, als mir. Nun ist es wie es ist. Mich hätte wohl ein noch schlechteres Leben treffen können, vielleicht auch der Tod. Aber vielleicht wäre auch das besser gewesen. Doch das ist nun nicht mehr wichtig. Solltest du wirklich denken, dass ich davon träume ein glückliches Leben mit Norly zu führen, wenn das hier alles vorbei ist, kann ich dich beruhigen, nichts dergleichen schwebt mir vor. Mein ganzes Leben hat mir gezeigt, dass ich nichts und niemandem mehr wichtig bin. Warum also Charles? Wenn die Sache hierdurch ist, findest du mich entweder in meinem alten Viertel oder im Irrenhaus. Mehr Möglichkeiten scheint mein Leben mir nicht bieten zu wollen.“
Melindas Worte brachten Randolph dazu, sie noch eindringlicher mit seinem Blick zu durchbohren. „Du könntest von hier verschwinden und glücklich werden… irgendwo“, meinte er ernst. „Vielleicht ist es dafür noch nicht zu spät. Es ist ein sehr kleines Vielleicht. Ich habe für dich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, fürchte ich. Aber es ist dir wohl nicht wichtig, was ich denke – oder zu wichtig. Auch wenn du es leugnest, weiß ich, wozu du fähig bist. Hast du es für ihn getan oder weil sie zwischen dir und Charles stand? Du brauchst mich nicht anzulügen. Du redest selbst mit einem Mörder, wenn du das bereits vergessen haben solltest.“
Ein Schnauben entfuhr ihr. „Ohja, natürlich, das Glück liegt gleich vor mir. Ich Tölpel. Dieses Leben hat nichts Glückliches für mich. Weder hier noch sonst wo. Du willst es also wissen, ja? Ich habe sie umgebracht und es war mir ein Fest, dieses kleine fiese Frettchen aus dem Weg zu räumen. Ich hab es nicht für Charles getan oder weil sie zwischen uns stand, sondern weil sie sie war. Du hast keine Ahnung, nicht die Geringste was sie getan hat und glaube mir, sie hätte noch viel mehr verdient als das, was ich getan habe. Du wirfst mir vor ich sei blind, was Charles betrifft, dass ihr das gleiche aber bei diesem…diesem Weibsstück seid, das ist natürlich nicht mal denkbar. Das arme, arme Johannamäuschen. Sieh doch wozu sie uns gebracht hat. Du hast kein Vertrauen mehr zu mir und unsere Freundschaft, wenn es denn jemals eine war, ist zerbrochen. Nichts mehr ist davon übrig. Wegen dieser Schlampe. Ich habe den Moment geliebt als das Licht in ihren Augen brach. GELIEBT! Bist du nun zufrieden?“
Randolph wich tatsächlich ein kleines Stück zurück, als Melinda derart emotional wurde. Es war nur ein halbherziger Schritt, um sein schmerzendes Bein nicht zu sehr zu belasten. Der Griff um seinen Stock verkrampfte sich. Und der Griff seiner anderen Hand um das Skalpell in seiner Tasche ebenso. Er schien mit sich zu hadern, vielleicht ja nach Worten zu suchen. Doch er brachte keine über die Lippen.
Melinda verzog die Lippen zu einem sarkastischen Lächeln. “Ich dachte, du wüsstest zu was ich bereit sei? Nun? Sie hätte euch alle ans Messer geliefert und zwar mit Handkuss. Aber wie gewöhnlich bin ich diejenige die falsch gehandelt hat, nicht wahr? Überhaupt bin in an dieser ganzen Misere schuld,. So ist es nun mal….und weißt du was? Ich würde es wieder tun. Wieder und wieder….und wieder.“
„Du bist krank, Melinda“, zischte er ungehalten. Dass er von ihrer Unverblümtheit entsetzt war, obwohl es sich offensichtlich auch um Provokation handelte, konnte er an dieser Stelle nicht verbergen. „Ich mag kaputt sein, aber du bist vollkommen geistesgestört!“
“Ja, natürlich. Ich bin geistesgestört. Ich sage ja dass ich ohnehin immer schuld bin. Danke, dass du noch einmal darauf hingewiesen hast.“ Sie lachte. “Ja, Randolph, ja. Ich bin Schuld und krank. Da wir das nun geklärt haben, hast du noch andere nette Worte für mich?“
Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Melinda konnte sehen, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Tränen der Trauer in wütende Augen. Er zitterte vor Zorn. Doch es war auch Angst dabei, Angst vor dem, was er gerade im Begriff war, zu tun. Es gab nur einen Ausweg, das zu beenden. Und dieser Ausweg lag starr und scharf in seiner verkrampften Hand, die sich Melindas Blick entzog. Es würde schnell gehen. Schnell und präzise, damit kannte er sich aus. Doch Melinda war kein Patient, den man durch eine Operation noch hätte retten können. Die Rettung lag in einem gezielten Stich in die Hauptschlagader.
„Es…“, krächzte Randolph, „tut mir so leid.“
Doch er zögerte. Zögerte zu lang.
Melinda zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. “Ja. Mir auch.“ Dann drehte sie sich um, mehr als ein trauriges Kopfschütteln hatte Melinda nicht mehr übrig. Es war vorbei – schlicht und ergreifend. Der einzige Freund den sie jahrelange gehabt hatte, war nun einfach weg. Verbittert war er geworden und doch hatte sie immer gehofft ihn wieder „zurück holen“ zu können. Doch es war ihr nicht gegönnt gewesen. Ihre Beziehung zu einander war zerbrochen wie ein rohes Ei, doch sie hatte gerade keine Nerven mehr dafür traurig zu sein. Er hatte sich verändert, sie hatte sich verändert. Er hatte ihr gedroht und damit ihr Vertrauen tief getroffen. Sie hatte keine Worte für ihn, mit denen sie ihn zum bleiben hätte bewegen können oder wollen. Es war vorbei.
Tja, das war ja mal wieder nichts. Da sind wir wieder nur noch zu zweit! Ein Glück das du mich hast! Hehehehe.

Sie hatte draußen Ruhe und frische Luft gesucht und hatte Enttäuschung gefunden. Also beschloss sie die Szenerie erneut zu verlassen und wieder ins Gebäude zu gehen. Sie hörte die anderen in den oberen Stockwerken, hatte jedoch vor allem wegen des eben stattgefundenen Gespräches keine Lust Konversation zu betreiben. Gilbert und Bruce waren ihr zudem suspekt und sie konnte nicht recht einordnen, was sie mit den beiden Männern anfangen sollte. Sie wurde nicht recht warm mit ihnen und fragte sich ob sie es noch werden würde. Andererseits war sie immer Einzelgängern gewesen, bis sie in diese verfluchte Sache hereingeraten war. Es war wie eine Familie gewesen. Kurz. Zumindest konnte sie sich vorstellen, dass so Familie funktionieren würde.
Haha! Das fällt mir ein Randy ist ja auch nur wegen dir in diese Sache geraten. Wie lustig, du hast es also mal wieder selbst zu verantworten, dass du mal wieder ganz alleine da stehst. Aber was soll man auch von jemandem erwarten, der nicht einmal von seiner Mutter geliebt wurde?
Sie schüttelte leicht den Kopf um sich von den Gedanken zu lösen und sah sich in der Dunkelheit um. Dass es hier zu einem Kampf gekommen war, war nicht zu übersehen. Melinda blickte nach oben und danach auf die Werkbank. Wer auch immer hier gekämpft hatte, eine Person war von oben herabgestürzt und wohl eher unsanft auf der Werkbank gelandet. Zumindest ließen das die Werkzeuge erahnen, die verstreut herum lagen, aber nicht so aussahen als seien sie nur unordentlich abgelegt worden. Sie hob einen Hammer auf, der neben der Werkbank auf dem Boden lag um ihn genauer zu betrachten und entdeckte dabei, trotz der Dunkelheit, Blut. Frisches noch dazu.
Uhlalalala!
Sie überlegte einen kurzen Moment die anderen zu holen und zu informieren.
Ach Bullshit! Als ob dich einer von ihnen dazu holen würde!
Sie nickte sich selbst zu und schaute sich ihre Spur genauer an und entdeckte zu ihrer großen Freude noch mehr Blut. Tropfen und Schleifspuren waren hier und dort zu erkennen. Begeistert machte sie sich auf den Weg und verfolgte die Spuren, bis zu einer weiteren Türe, die sie vorher nicht einmal wahrgenommen hatte. Sie war unverschlossen und schwang geräuschlos zur Seite. Vor sich sah Melinda nun, im äußerst schwachen Lichtschein, einen Lagerraum mit Regalen an den Wänden, auf denen allerhand lag. Doch wesentlich interessanter war wohl die Person die in der Mitte des Raumes an eine Kiste gelehnt lag. Sie zog eine Augenbraue hoch bei dem Anblick der sich ihr bot. Eine Leiche mehr, als ob sie nicht genug damit zu tun gehabt hätten.
Sie trat näher an ihn heran um sich anzuschauen, womit man es hier genau zu tun hatte und gegebenenfalls seine Taschen zu entleeren, ein Toter braucht schließlich keine materiellen Dinge, außer vielleicht zwei Münzen für den Fährmann, aber damit nahm Melly es auch nicht so genau. Erstaunt stellte sie fest, dass der Mann, oder das was noch von ihm übrig war, noch lebte. Gerade so. Er hob schwach seinen Kopf und wimmerte etwas. Melinda verstand kaum etwas, außer ein wisperndes “Hilfe…“Sie ging daraufhin nah an ihn heran, den eine Gefahr ging definitiv nicht von ihm aus. Seine Kleidung war voller Blut und sein Körper übersäht von Wunden. Das Gesicht war kaum noch zu erkennen, alles war geschwollen und ein tiefer Schnitt zog sich darüber. Doch nicht das Gesicht war es, was die Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern das Messer, dass in seiner Brust steckte.
Erstaunlich was man alles überleben kann, oder? Aber sag mal mein Herzchen…das Messer kommt dir das nicht auch bekannt vor? Aber das muss es ja! Wir sind ja immerhin eins! Hahahahahahahaha.
Ja, das Messer kam ihr bekannt vor. Sie kannte es, hatte es schon viele Male gesehen. Es gehörte Charles. Noch waren die anderen beschäftigt und sie tat was sie für richtig hielt.
“Ich bin Josie! Wie heißt du? Ich werde dir helfen, aber erst muss ich wissen, wer das getan hat. Welcher Schweinehund hat dir das angetan?“
Ihr nächsten Schritte hatte sie klar vor Augen, sie wollte aber dennoch versuchen mehr zu erfahren.
Der Mann röchelte, als würde selbst das simple Atmen eine große Anstrengung für ihn darstellen. Sein Peiniger hatte ihm übel zugesetzt, er konnte Melinda vermutlich noch nicht einmal sehen, so zugeschwollen war sein Gesicht. „Hilf mir…“, krächzte er, kaum lauter als ein Wispern. „Ich bin Richard. Das war S-Scar… Scarface.“
“Scarface? Wen meinst du?...wann ist das hier passiert.“ Sie griff nach seiner Hand um ihm ein besseres Gefühl zu geben.
Sie spürte das klebrige, teils angetrocknete Blut an ihren Fingern, als die Seinen den Druck erwiderten. Allerdings nur schwach. Er zitterte unkontrolliert.
„Scarface“, wiederholte er. „Der Schlächter. Norly.“
Richard rang nach jedem Wort nach Luft, doch er versuchte, sich zusammenzureißen, soweit Melinda das erkennen konnte.
„Ich wollte gerade schließen, da stand er hinter mir.“ Er schluchzte und zuckte vor Schmerz zusammen, als er Blut aufhustete. „Vollkommen betrunken. Hat wirres Zeug gefaselt. Ging wie besessen auf mich los.“
Es schüttelte ihn, als er die Tränen nun nicht mehr zurückhielt. „Bitte…“, flehte er und tastete mit seiner freien Hand verzweifelt nach Melindas Arm. „Ein Arzt… ich brauche einen Arzt.“
“Darling, woher weißt du das es Norly war? Woher weißt du wer er ist? Ein Arzt ist unterwegs, er ist gleich da!“
Wie sollte Charles das geschafft haben? Hatte er das hier zu verantworten? Macht das Sinn?
„Er…“, schnaufte Richard und weinte, „… war’s. Ich kenne… kenne ihn. Er war schon häufiger hier, hatte mit Cook zu schaffen.“ Er gab einen hysterisch wirkenden Laut von sich. „Gott, hilf mir. Ich will nicht sterben, nicht wie Cook.  Er hat sich nicht die Mühe gemacht, sich zu verhüllen. Sein Gesicht… die Narbe. Er war’s, ganz sicher.“
Das Gespräch verwirrte Melinda. Hatte Randy recht und sie war einfach nur krank? Lag es daran? Schenkte sie einem Mann zu viel Vertrauen, der dies nicht verdient hatte? Zweifel kamen in ihr auf. Doch konnte das plausibel sein? Hätte Charles hier sein können und diesen Mann Richard so zurücklassen können? Das konnte nicht sein! Oder doch?
“Ich rede mit dir Darling, bis der Arzt da ist, ja? Woher kennst du Scarface denn?“
„Cook“, presste er hervor. „Durch Cook. Uns beiden gehörte die Werkstatt, doch das waren Cooks Geschäfte mit Scarface, nicht meine. Was habe ich damit zu schaffen?“ Er wimmerte vor sich hin. „Warum ist er wieder hergekommen, um mich auch noch zu töten?“
Was sollte sie dem Mann darauf antworten? Seine Informationen brachten sie so nicht weiter. Wie sollte sie herausfinden, ob es wirklich Charles gewesen sein könnte? “Hast du seine Hände sehen können? Ich brauche alle Informationen, damit das Yard ihn endlich festsetzen kann, weißt du.“
Richard schniefte und unterbrach sein Gewimmer. „D-Die Hände? Ich… nein. Nein, er hat Handschuhe getragen. Aus Leder.“
Verdammt. Schon wieder eine Sackgasse. “Darling, wartest du schon lange auf Hilfe?“ Mit einer solchen Verletzung lange zu überleben schien ihr nicht plausibel. Vielleicht würde das nun endlich Licht ins Dunkel bringen.
Ein röchelndes Husten erschütterte Richard. Dann stöhnte er geplagt. „Ich… bin nicht sicher. Ich hab das Zeitgefühl verloren. Ist schon Morgen? Ich war noch spät hier… die Sirenen. Die Polizei sagte, draußen sei es nicht sicher. Also blieb ich… lang. Stunden bestimmt.“
Melinda starrte auf den Mann herab. Sie bemerkte, dass es wohl keinen Sinn hatte. So würde sich nichts herausfinden.
Sie atmete langsam durch und griff schließlich an das Messer, mit einem festen Ruck riss sie am Griff. Das Messer blockiert und der Mann stöhnte schmerzgeplagt auf.
“Keine Sorge, Richard, gleich ist es besser.“ Sie riss erneut am Messer, welches sich mit einem Schmatzen aus der Wunde löste. Richard röchelte und stöhnte, während Melissa auf das Messer in ihrer Hand starrte. Sie wischte es grob an der Hose des Mannes ab, bevor sie es in ihrem Kleid verschwinden ließ. Dann betrachtete sie verträumt, wie das Leben aus Richard langsam wich. Ihr rechter Mundwinkel zuckte leicht nach oben, als sie erkannte, dass Richard seinen letzten Atemzug getan hatte.
Sie prüfte noch schnell seine Taschen, bevor sie aufstand und die Leiche einen Augenblick betrachtete. Dann ging sie langsam wieder zur Werkbank zurück. “Hey Jungs, während ihr hier rumeiert, hab‘ ich ‘ne Leiche gefunden. Ist noch warm. Kann nicht lange tot sein. Ärgerlich…“
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Sa Jun 22 2019, 13:52

Bruce betrachtete den Schauplatz des Kampfes mit gemischten Gefühlen. Es wirkte auf ihm nicht als hätte das Opfer all zu heftige Gegenwehr leisten können. Er versuchte sich vorzustellen wie es abgelaufen sein musste. Der Täter hatte sich scheinbar Zugang verschafft, ohne dass das Opfer es bemerkt hatte und jenes dann hier gestellt und angegriffen. Der Kampf selbst musste recht brutal vorangeschritten sein. Scheinbar hatte das Opfer dabei nicht um Hilfe geschrien, oder die Rufe waren ungehört geblieben, denn sonst wäre auf der Straße sicher bereits mehr los gewesen als sie hier angekommen waren.
Der Blick des Schotten wanderte zu Boden auf die Papiere. Es wirkte nicht als ob der Täter wirklich Interesse an der Arbeit des Opfers gehabt hätte und ein Raub war zwar wohl nicht auszuschließen aber wäre man hierzu wirklich so gezielt und kaltblütig über den Anwesenden hier hergefallen? Es waren wohl nur zwei gewesen und wie es schien, hatte sich der Rest der Gewalttat unten ereignet.
Bruce war bereits auf dem Weg zu den anderen, als er Mellindas Stimme vernahm. Viel zu laut für seinen Geschmack und die augenblickliche Situation, aber zumindest war hier niemand auf einen Kampfbereiten Täter gestoßen was es nahelegte, dass dieser schon über alle Berge war. Natürlich schickte auch er selbst sich an, der Stimme der jungen Frau zu folgen um zu sehen was es mit dem Toten auf sich hatte. Das vorhandene Unbehagen wuchs noch an. Auch wenn er schon einige Leichen gesehen hatte war dies nichts, worauf er besonders erpicht war.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Thorgrimm Mo Jul 08 2019, 03:51

Es war offensichtlich, dass Gilbert einen verletzlichen Nerv mit seinen Fragen getroffen hatte. Es tat ihm auch etwas Leid, Norly so unter Druck setzen zu müssen - vor allem in der Situation, in der sie sich alle und er insbesondere befanden - aber er war es leid, kaum Informationen zu bekommen und gleichzeitig sein Leben diesem Mann anvertrauen zu müssen. Norly war überhaupt der Grund, warum er sich ständig in Gefahr bringen musste. Warum er überhaupt hier war und in dieser Folterkammer herumkriechen musste. Das Geringste was er verlangen konnte waren Antworten. Ein paar Informationen und Hintergrundwissen zu dieser ganzen Sache. Gils Wunsch wurde erfüllt. Zumindest zum Teil und in sehr unangenehmer Weise aber er ließ sich von Norlys Tonfall, Anschuldigungen und bösen Worten nicht aus der Ruhe bringen. Der Mann war unter extremen Druck, hatte Schmerzen und befand sich hier an einem Ort, der ihm sehr unangenehm war. Das entschuldigte sein Verhalten zwar nicht aber machte es zumindest verständlich.
Dass Norly einige Erfahrungen mit Cook und seiner Werkstatt hatte sammeln können war ja nichts Neues aber zumindest hörte es Gil nun von ihm selbst. Leider brachte ihn das überhaupt nicht weiter. Selbst unter diesen Umständen und in seinem Zustand, hatte Norly sich noch ganz gut unter Kontrolle. Zumindest was seine Geheimnisse anging. Gilbert hatte sich mehr erhofft. Auch dass ihm eine alte Verletzung an der Hand Probleme machte, erklärte zwar einiges aber war nun auch keine besonders hilfreiche Information. Ob diese Verletzung vielleicht sogar mit Cook oder diesem Ort zusammenhing und deshalb gerade jetzt Probleme machte? Er selbst hatte ja ähnliche Probleme. Psychosomatik nannte man dieses Phänomen soweit er wusste. Er warf der behandschuhten Hand also einen längeren, kritischen Blick zu aber was glaubte er schon entdecken zu können? Wenn es wirklich eine alte Verletzung war, verbarg er sie sehr wahrscheinlich unter dem Handschuh und durch den konnte er nicht durchgucken.
Doch endlich rückte Norly mit einigen Informationen raus. Die Beziehung zwischen ihm und Cook war lediglich geschäftlicher Natur gewesen. Er hatte einige Dinge in Auftrag gegeben, sagte allerdings nicht um was es sich gehandelt hatte. Ob das wichtig war, war allerdings sowieso fraglich. Interessant war allerdings dabei, dass ihn dieser Ort sehr unangenehm war. Wieso? Lag es wirklich an den diesen Fallen, die er allerdings gut kannte oder gab es doch noch etwas, mit dem er nicht rausrückte? Vermutlich, denn er sagte ja nicht ohne Grund, dass er keine positiven Erinnerungen mit Cook verband. Das galt auch für diesen Ort. Norly hatte immer noch unzählbare Geheimnisse.
Wieso sie hier waren, war Gilbert klar gewesen. Im ersten Moment war er allerdings froh, dass er das Thema trotzdem angesprochen hatte. Denn Norly begann wieder etwas abzuschweifen und mehr zu erzählen, als ihm lieb war. Was Gil hörte, gefiel ihm allerdings sehr viel weniger als anfangs angenommen und brachte ihm nicht die Zufriedenheit, die er erhofft hatte. Trotz der abschätzigen und miesen Art, mit der Norly ihn behandeltem, fühlte sich der Maler nun schlecht. Er hatte ihn nur ein bisschen unter Druck setzen wollen, um an Informationen zu gelangen. Stattdessen hatte er den Mann mit seinen Worten weiter in den Abgrund geschleudert. Gil wusste wie das war und er wünschte es keiner anderen Person. Nicht einmal Norly. "Es..." begann er stotternd. "... es tut mir Leid. Ich wollte sie nicht so unter Druck setzen." Er wusste zumindest zum Teil, wie er sich fühlte. "Ich kenne diesen Abgrund, von dem sie sprechen, nur zu gut. Glauben sie mir, jeden Morgen blicke ich hinein und an manchen Tagen schaffe ich es kaum, mich wieder rauszuziehen." Nun war es allerdings an ihm, Informationen für sich zu behalten. "Wir stecken alle in dieser Sache drin. Ich versuche es genauso wie sie zu verstehen und mein Leben ist an ihres gebunden. Also nehmen sie es mir nicht so übel, dass ich sie um mehr Informationen bitte." Er nickte dem Mann vor sich zu. "Sagen sie mir wie ich ihnen helfen kann. Ich kenne diesen Ort nicht und fürchte irgendwelche Fallen zu aktivieren, wenn ich irgendetwas anfasse." Er wollte nicht tatenlos stehen bleiben aber genauso wenig wollte er sich an irgendwelchen vergifteten Dornen aufspießen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra Mo Jul 22 2019, 17:46

Charles atmete innerlich auf, als Mr. Wright zurückruderte und sich entschuldigte. Er hatte weder Geduld und Lust darauf, weitere Fragen abwimmeln zu müssen. Für ein schlechtes Gewissen zu sorgen hatte zum Glück (wieder einmal) gereicht. Die Situation war schon angespannt und schweißtreibend genug, da war Charles dankbar um jede Lästigkeit, die ihm erspart blieb. Es war nicht so, dass er Wrights Neugier nicht nachvollziehen konnte, aber es gehörte zum Leben nun einmal dazu, dass man sich an manchen Punkten mit dem zufrieden geben sollte, was man bekam. Private Dinge hatten ein Anrecht darauf, privat zu bleiben. Erst einmal. Wright würde die Hintergründe, die ihn so brennend interessierten, vielleicht sogar in kurzer Zeit erfahren, aber Charles bevorzugte, das zu vermeiden. Es schnüffelten wirklich schon genug Leute in seiner Vergangenheit herum, da würde er nicht damit anfangen, auch noch selbst mit Unzulänglichkeiten zu hausieren, die er lieber für sich behalten wollte. An vielen Tagen konnte er darüber lachen, ein Krüppel zu sein… er hatte sich damit arrangiert und dazu hatte auch Cook seinen Teil beigetragen. Aber schlussendlich das war wirklich nichts, was man anderen unter die Nase rieb. Es war peinlich. Es war eine Schwäche. Und wer Schwäche zeigte, der musste damit rechnen, dass diese ausgenutzt wurde.
Charles nickte, als Gilbert seine Hilfe anbot. Er ging nicht mehr auf das vorherige Thema ein.
„Ich denke nicht, dass Cook Fallen an Stellen platziert hat, an denen er selbst in Momenten der Unbedachtheit hätte hineintappen können“, schätzte er die Gegebenheiten ein. „Ich nehme also an, dass es relativ sicher sein sollte, sich hier unten zu bewegen. Passen dennoch gut auf, was Sie anfassen und wohin Sie treten… und besonders, wenn Sie irgendeinen Gegenstand –“, „bewegen“ hätte er sagen wollen, doch Melindas Stimme, die von der Werkstatt halblaut zu ihnen rief, ließ Charles innehalten und lauschen. Eine Leiche? Ein kalter Schauer durchfuhr Charles. Das war weder etwas, mit dem er gerechnet hätte, noch etwas, das er nun gebrauchen konnte. Es war ihm jedoch sofort klar, dass dies kein Zufall sein konnte. Bilder von Gewalt und blutiger Verstümmelung sprangen vor seinem inneren Auge auf – eine Vorahnung auf den Anblick, der ihn vermutlich erwartete. Ein Scarface-Opfer… einmal wieder.
Ein gutturales, zorniges Knurren war das einzige, das er zu diesem Gedanken nach Außen trug, doch innerlich wurde seine Anspannung sofort mit Adrenalin getränkt und seine inneren Alarmglocken schrillten wie ein stechender Tinnitus.
Charles schnappte sich die Lampe und drängte sich damit an Mr. Wright vorbei. Der Maler würde ihm wohl folgen, daher war die Lichtquelle am Tatort nützlicher. Während Charles zurück zur Treppe eilte, ertappte er sich selbst dabei, wie er trotz der Situation eine Spur Erleichterung verspürte. Bedeutete das, dass er die Gesellschaft eines Leichnams dem Betreten Cooks Geheimlabor vorzog? Vermutlich nicht… aber gleichzeitig irgendwie doch. Der krampfende Schmerz in seinem linken Arm ließ dennoch nicht nach, als er sich zwang, schnellstmöglich die Stufen hinaufzustapfen. Außer Atem wie nach einem Marathon stolperte Charles die letzten Schritte in die Werkstatt hinein und bemerkte Bruce, der ebenso Melindas Ruf gefolgt war, und Melinda selbst… wunderschön wie in jedem Moment, jedoch fiel die Beleuchtung, die Charles mitbrachte, nicht nur auf sie.
Blut. Hier war überall Blut. Wie hatte Charles das vorhin übersehen können? Er kannte die Antwort: er war zu fokussiert darauf gewesen, ob seines Gangs in den Keller die Fassung zu bewahren. Nun die Fassung zu bewahren, fiel ihm allerdings auch nicht leicht. Er merkte, dass die Lampe in seiner Hand ein zitterte, als er damit den Raum ausleuchtete. Tropfen und Schlieren führten in den hinteren Bereich der Werkstatt, auf den Lagerraum zu, der sich dort befand. Es war ihm heiß und kalt zugleich, doch Charles überwand sich und trat näher. Und näher. Bis der Schein der Lampe die Szene, die dort auf ihn wartete, komplett einhüllte – dann blieb er stehen, kurz vor der Schwelle. Kurz vor der unheilvoll glänzenden Blutlache am Boden. Als seine linke Hand sich hier zur Faust ballte, war kein Krampfanfall daran Schuld. Charles sagte nichts, sondern atmete immer noch schwer, während er versuchte, den Anblick, der sich ihm bot, zu verarbeiten. Seine Gedanken rasten in diesem Moment, malten sich aus, wie der Mann inmitten der Lache zu seinen Verletzungen gekommen war. An strychningetränkte Dornen zu verendne, war dagegen vielleicht ein gnädiger Tod.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Elli Mi Jul 24 2019, 07:13

Da nun alle anwesend waren, überlegte Melinda was sie nun wohl machen sollte. Vorallem das Messer, welches sie verborgen bei sich trug, warf einige Fragen auf. In ihrem Kopf rasten Szenarien und Gespräche ab, wie sie Charles am besten darauf ansprechen könnte. Doch das würde sie nicht vor den anderen machen. Oder doch? Unschlüssig war sie, während sie die Männer betrachtete, die nun den Leichnam in Augenschein nahmen.
“Schöne Scheiße ist das hier. Was machen wir nun? Den Yard zur Hilfe holen, ist wohl nicht die beste Idee. “
Selbstverständlich würde sie nicht sagen, dass sie ihn noch lebend angetroffen hatte, noch das sie es war, die schlussendlich dafür sorgte, dass er seinen letzten Atmenzug in dieser trostlosen Umgebung ausgehaut hatte.
“Sieht aus, als hätte er sich mit jemandem angelegt, mit dem er das Besser nicht getan hätte. Ich frage mich ob der Angreifer auch Verletzt wurde.“
Das sie ausgerechnet vergessen hatte, nach dieser Information zu fragen, flammte ihr wir ein gleisender Blitz vor dem inneren Auge auf. So eine Scheiße.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 9 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Mi Aug 21 2019, 11:35

Bruce kam als letzter am Schauplatz der Bluttat an und war zumindest etwas erleichtert, dass es trotz des Rufes bisher still geblieben war. Sein Bauchgefühl alarmierte ihn, die ganze Situation im Laden roch gewissermaßen nach einer Falle. Dass sich das Verbrechen kurz vor ihrem Eintreffen abgespielt haben musste, machte einen Zufall recht unwahrscheinlich.

Die junge Miss Bolt an einem so schrecklichen Schauplatz, niedersten menschlichen Wirkens zu sehen, erschien ihn in den ersten Momenten unwirklich und bizarr, auch wenn die Frau in ihrem Gewerbe sicherlich mit den Abgründen der Großstadt hinlänglich vertraut sein musste. Vielleicht blieb sein Blick gar etwas zu lange auf Melinda haften, so dass er sich dem Umfang der Tat hier erst zögerlich bewusst wurde. Auch Charles schien schockiert und Bruce hätte viel darum gegeben, gerade die Gedanken Norlys lesen zu können. „Wir sollten nicht hier bleiben.“
Brachte der Schotte seine Sorgen in gewohnt pragmatischer Weise auf den Punkt.

Wenn nun das Yard auf den Plan kam waren ihre Fluchtchancen denkbar gering. Die Flucht aus dem Fenster würden sie nicht alle unbeschadet vollbringen und wahrscheinlich waren die Streifen noch immer mit Schusswaffen bewaffnet, da das Ereignis des brennenden Luftschiffs über London ja schlimmste Gefahren für die Stadt bedeuten konnte. Was hatte Norly sich dabei nur gedacht?
Bruce fühlte die wachsende Unruhe in sich aufsteigen. Kein guter Moment, um die Nerven zu verlieren.
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