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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen - Seite 10 Empty Re: No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

Beitrag von Leo Sa Okt 15 2016, 01:49

Terry buddelte wie ein Besessener. Keuchend stach er mit der Schaufel zu, als wäre das hinter, vor und unter ihm tatsächlich nur Sand, warf Leichen und Leichenteile beiseite und zwang sich, nicht mehr als einen knappen Blick an sie zu verschwenden. Wäre ihm in diesem Moment bewusst gewesen, was er tat, so hätte er vielleicht damit aufgehört, doch sein Bewusstsein lag unter einem wattigen Nebel aus Verzweiflung und Trauma, und so tat er einfach, was sein überanstrengter Geist ihm eingab. Grab, Terry! Grab weiter! Er wusste nicht, warum. Wollte er seine eigene Leiche wirklich sehen, wenn sie denn irgendwo hier war? Die Antwort würde er wohl erst kennen, wenn sie schließlich vor ihm lag.
Seine langen Finger zitterten nun so stark, dass er fast die Schaufel fallen gelassen hätte. Bis zu den Knöcheln stand er in etwas, das wohl mal der Torso eines Saloongasts gewesen sein musste, doch das bemerkte er nicht. Den glasigen Blick stur nach unten gerichtet, blind für die Umgebung, schaufelte er weiter, brachte Leichen zutage, eine nach der anderen – und erst, als da schließlich Noemis Körper vor ihm lag, das leere Auge stumm in seine Richtung gewandt, ließ er die Schaufel sinken und atmete bemüht langsam ein und aus. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Priester sich selbst und den Bart zutage gefördert hatte, doch das war ihm nun gleichgültig.
Klar war: Sie alle … waren tot.

Und dann ging es wieder los.

Als Terry die Augen wieder aufschlug, lag er draußen. Seine Hände hatten sich um die Schaufel verkrampft und schmerzten regelrecht, doch außer seinem treuen Werkzeug war ihm nichts geblieben. Der Gedanke, dass er vorhin noch in Gedanken Frauenkleider getragen hatte und sich um seine Stute gesorgt hatte, erschien wie ein fernes Zerrbild, unwirklicher noch als ein Traum. Das hier war jetzt die Realität … und es war finsterer, als Terry es sich je ausgemalt hätte. Stumm und fassungslos, halb noch am Boden liegend, betrachtete er die brutalen Weißen, wie sie die Leichen schändeten; würgend wandte er den Kopf ab, doch das Bild vom bluttriefenden Herz brannte weiter vor seinen Augen, selbst wenn er sie schloss.
Die Schaufel in seiner Hand war das einzige, was er noch spürte, sie und der nackte Sand unter seinen Beinen. Keuchend stemmte er sich hoch, sah Noemi nach, wie sie davonrannte und dachte kurz nach, das Gleiche zu tun, vielleicht auch, ihr zur Hilfe zu eilen, doch dazu war es zu spät. Jetzt musste er sich erst einmal selbst helfen.
Der Mexikaner schoss. Terry sagte nichts dazu. Stattdessen sah er sich selbst in die Augen, seiner Leiche, die vor ihm lag wie aufgebahrt, und verspürte kurz den schrecklichen Drang, mit dem Finger die klaffende Schusswunde an seiner Stirn nachzufühlen. Sein Blick ging an dem Toten herunter, als wäre es nicht er selbst, stockte kurz an der Waffe im Holster, dann entsann er sich wieder der Schaufel in seinem Griff und wusste, was er nun tun würde.
Er ging nicht einmal weit weg, machte nur ein paar Schritte zur Seite und stach die Schaufel in den Sand. Einmal. Zweimal. Keuchend, doch unermüdlich. Es war befriedigende Arbeit, sie erinnerte an die Farm, an Mutter und Vater, seine Schwestern und Brüder. Er roch wieder den Geruch des alten Esels, dann den der Gemüsesuppe seiner Mutter, und er spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen, doch er blinzelte sie benommen weg. Nicht jetzt. Stich um Stich grub er sich weiter, alles andere war jetzt unwichtig, ob die Weißen tot waren oder nicht, was seine Leidensgenossen taten ebenso. Er würde weitermachen … er würde graben.
Sein eigenes Grab. Und dann würde er sich selbst zu Grabe tragen. Seinen geschundenen Körper hineinwerfen, ihn mit Sand und Erde bewerfen und zum Verschwinden bringen, damit er ihn nie wieder sehen musste.
Und erst dann … würde er Ruhe haben.
Hoffentlich.
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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen - Seite 10 Empty Re: No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

Beitrag von Elli Mo Okt 17 2016, 14:10

Dayton schlug die Augen auf. Er war voller Hass. So voller Hass. Was sollte denn diese Scheiße hier?
Er war in diesem Albtraum gefangen, ebenso wie in dem, den ihn jede Nacht heimsuchte. Seine Familie tot auf dem Boden, sein jüngstes Kind einfach weg. Er spürte so viel Hass in sich, dass er glaubte es nicht mehr zu ertragen. Wieder alles weg, gerade noch hatte er Knochen zu Seite geschoben und im nächsten Augenblick lag er wieder in diesem verschissenen Sand und es hatte sich nichts geändert, es war alles immer das Selbe und wie würden aus dieser Lage nicht fliehen können. Es war umsonst. Alles war umsonst. Das Aufwachen. All seine Bemühungen. Sein ganzen Leben. Ein großer Haufen Scheiße.

Langsam setzte sich Datyon auf, das hier würde sein letzter Versuch sein, würde er dann wieder so aufwachen, würde er sein Versprechen seiner Familie gegenüber brechen und keine Rache nehmen, sondern sich eine Kugel in den Kopf jagen. Ende. Aus. Fertig. Gerade, als er sich aufgerappelt hatte, durchbrach ein Schrei die sandige Leere. Daytons Kopf fuhr herum, wer war das gewesen? Einer von ihnen? Doch stattdessen fiel sein Blick auf ein grotestes Schauspiel. Was zum Teufel passierte da? Welche Dämonen oder Geister waren hier am Werk?
er wünschte sich zurück in das Tipi der Großmutter, die ihm von Reisen des Geistes erzählte, während der Körper an Ort und Stelle blieb. Nichts war zu weit. Oder gar zu schwierig. Man reiste auf dem Rücken eines Bären, spürte den Wind in den Federn des Raben, spürte den Boden unter dem Bauch der Schlang, legte den Kopf in den Nacken um zu singen wie ein Wolf.
Doch das hier, das war etwas ganz anderes. Nichts was ihm je begegnet war, schien Sinn zu machen, noch konnte er begreifen was hier geschah.

Dann bemerkte er das der Mexikaner sich in Bewegung setzte und schoss. Instinktiv zog auf Dayton seinen Colt.
"Guter Schuss Gringo. Ahahahaha. Ahahahahahaaahhaahaaaaaa." während Dayton lachte, ließ er sich rücklings in den Sand zurückfallen, seine Hand hielt die Waffe fest im Griff, während ihm Tränen des Lachens über die Wangen liefen.
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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen - Seite 10 Empty Re: No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

Beitrag von Umbra Fr Okt 21 2016, 18:36

Alle, die anderweitig nicht zu abgelenkt waren, erkannten, dass El Pezosas Kugeln sich, sobald sie ihre kalkbleichen Ziele trafen, in wabernde Rauchschwaden auflösten, als würden sie auf der Haut in abermillionen Partikel zerstäuben. In diesem Moment… in diesem Moment verschwand die Welt.
Zumindest für einen Wimpernschlag.

Terrys Schaufel fühlte sich für einen kurzen Moment schwerer an, bevor er die aufgenommene Erde fortkippte. Nein, es war doch keine Erde. Mitten in der Bewegung wandelte sich staubstrockener Prärieboden in kiesigen Schlick, der, halb rauschend, halb klatschend in die hölzern-blecherne Waschrinne fiel, die ebenso unvermittelt vor ihm auftauchte wie das flache Flussbett, das angenehm kühl seine nackten Unterschenkel umspülte. Der trocken-heiße, blutgetränkte Schauplatz eines kranken, geistergeplagten Massakers war einer idyllischen Szene inmitten von schattenspendenden Bäumen, Farnen und allerhand anderem Grünzeug gewichen. Die Sonne glitzerte reflektierend auf der Oberfläche des klaren, mit algigen Steinen durchsetzten Flusses, während Vögel sangen und es angenehm nach Moos roch.
Eine schmale, hölzerne Brücke spannte sich in Terrys Sichtweite über das Gewässer. Er hatte sie vorhin genutzt, um auf diese Uferseite zu kommen, wo er gestern eine interessante Stelle zum Goldwaschen gefunden hatte.
Die Erinnerung daran traf ihn wie ein Schlag, und er konnte nicht anders, als verwirrt darüber zu sein, dass er, gerade noch mitgenommen von den Stürmen und den anderen Geschehnissen im Geistersaloon, sich nun als Goldsucher am Grey Creek wiederzufinden – der Name des Flusses kam ihm sofort in den Sinn. Er erinnerte sich, wie er hierher, an seine jetzige Position, gelangt war (über den Weg, der aus Grey Falls in Richtung der Minen herausführte), er erinnerte sich auch, wie er vor einigen Wochen nach Grey Falls gekommen war und sich ein Zimmer gemietet hatte. Er erinnerte sich, wie er beschlossen hatte, von den ausbeuterisch anmutenden, fremden Menschen gehörenden Minen erstmal Abstand zu halten und sein Goldsucherglück allein zu versuchen. Er hatte sich Ausrüstung gekauft, deren Kernstücke diese Waschrinne, eine Schaufel und eine Waschschale waren; er hatte sich bereits an einigen Abenden im Saloon an den Spieltischen bereichert…
Aber was ihn an dieser Stelle am meisten irritierte, als diese Bilder nach und nach auf ihn einprasselten und an Klarheit gewannen, dass sie genauso echt und real wirkten wie ihre Alternative – nämlich die nicht ganz so friedliche Reise nach Grey Falls, die noch nicht beendet war.
Ein vertrautes Schnauben drang an Terrys Ohren und sein Blick fiel an dieser Stelle sofort auf Alma, die zufrieden Kräuter vom Waldboden zupfte.
Diese malerische Umgebung war ihm, da er gerade noch mit tiefem Schrecken konfrontiert worden war, deutlich so surreal wie der Geistersaloon, aber gleichzeitig fühlte sie sich logischer ein. Sie war einfach richtig. Er konnte sich an seine Reise hierher genau erinnern, kontinuierlich, ohne Lücken, während diese Erlebnisse im Saloon wie abgehackte Perversion eines Ereignisses seiner Vergangenheit, ohne jegliche Übergänge war. Er kannte Pezosa, zumindest vom Sehen her. Er hatte ihn schon häufiger im Saloon gesehen – hier in Grey Falls, nicht mitten in der Prärie. Ob er Noemi und dem Bart in einer anderen Situation als im Geistersaloon schon einmal über den Weg gelaufen war, wusste er nicht so ganz. An den Prügelpriester konnte er sich auch dunkel erinnern… allerdings nicht als schlagenden Trunkenbold, sondern als wirres Zeug faselnden Prediger auf den Straßen der Stadt… glaubte Terry zumindest.
Seltsam, dass diese Personen in seinem Tagtraum vorgekommen waren.
Es musste so etwas wie ein Tagtraum gewesen sein – allerdings ein ziemlich langer, ziemlich gruseliger, und viel zu echt wirkender Tagtraum.

Lautstarker, alkoholschwangerer Jubel umgab Pezosa, der ihn, ähnlich, wie es der Rauch seines Colts mit seiner Nase handhabte, umwaberte. Sobald er die Augen aufschlug, löste sich der Schmauch gerade in der Umgebungsluft auf. Mit erhobener Waffe zielte er auf ein Holzbrett mit aufgemalter Zielscheibe, in deren Mitte ein schwarzes Loch prangte.
„Ein Schuss, ein Treffer, da hast du nicht gelogen“, schnurrte eine leicht raue, aber dennoch lieblich verführerische Stimme in sein Ohr, damit den Jubel, nur für Pezosas Wahrnehmung übertönend, während er spürte, dass die leichtbekleidete Dame sich an ihn schmiegte und ihm einen neckischen Klaps auf den Hintern gab.
Etwas orientierungslos, aber doch die Situation sofort begreifend, erkannte El Pezosa, dass er quer durch den Palace Saloon geschossen hatte, da die anderen Trunkenbolde ihm dafür eine Schneise gebildet hatten.
Hier war er nicht unwillkommen, nur, weil mexikanisches Blut in seinen Adern floss. Im Gegenteil: Dieser Saloon hatte sich, neben dem Stall, in dem er gegen kleines Geld schlief (wenn er es nicht hier tat), schnell zu seinem Lieblingsplatz in Grey Falls entwickelt. Hier kamen die Glücksritter hin, wenn sie Vergnügen suchten, und hier konnte Pezosa, unterdessen er sich selbst amüsierte, Aussuchen und Planen, um später fremden Gewinn einzusacken. Bereits seine Reise nach Grey Falls hatte sich als lukrativ erwiesen, weil der nicht enden wollende Strom an Menschen, die ihr gesamtes Hab und Gut gen Westen brachten, in der Hoffnung, dort Gold zu finden, natürlich auch Bandidos brauchte, die ihnen die Last ihrer schweren Geldreserven abnahmen. Er selbst hatte es geschafft, ordentlich was einzusacken und dabei unerkannt zu bleiben. Nun konnte er es sich ausschweifend gutgehen lassen.
Allerdings, und das irritierte ihn, war das zwar die Geschichte, die ihm richtig vorkam, schließlich hatte er in ihr die vergangenen Monate gelebt, allerdings fühlte sich das, was er noch gerade zuvor erlebt hatte, ebenso echt an. War der sturmgebeutete Geistersaloon nur ein Tagtraum gewesen? Dafür war er eigentlich zu komplex und zu lang gewesen…

„Ruhe dadrin, du Wichser!“, polterte eine laute, von der Tür gedämpfte Stimme, begleitet von wütenden Faustschlägen gegen das dadurch zitternde Holz. „Ich schmeiß dich raus, wenn de weiter so laut rumgeierst und behalt deine Miete ein!“
Dieser Kerl, Hobbson war sein Name, wollte so Daytons Lachanfall unterbinden, aber ungeachtet dessen, ob er damit Erfolg hatte oder nicht, oder ob der Anblick von Daytons neue Umgebung, in der er sich plötzlich befand, dies übernahm oder nicht, musste Dayton feststellen, dass nicht nur die Leichen, Pezosa und die grausamen weißen Typen verschwunden waren, sondern dass er auch nichtmehr im Dreck lag, sondern auf einem schmalen, mit einer Strohmatratze gepolstertem Bett. Ihm gegenüber lag eine hölzerne Wand mit einem hölzernen Waschtisch und der Tür, rechts von ihm ein Schrank, direkt rechts von ihm, neben dem Bett, seine Stiefel, und durch das Fenster direkt über seinem Kopf fiel kein gleißendes Licht einer unbarmherzig heißen Sonne, sondern einfach nur sanftes Licht, das durch den mäßig bewölkten Himmel gefiltert wurde.
Warum auch immer Dayton der Anblick dieses Zimmers nicht unbekannt war, und warum auch immer er wusste, dass der Mann Hobbson hieß… Im ersten Moment, war ihm das wirklich nicht bewusst. Dann allerdings dämmerte es ihm langsam: Er befand sich gerade in seiner Unterkunft, die er vor einiger Zeit bei Hobbson angemietet hatte (Zahlung im Voraus). Er war hier, in Grey Falls (tatsächlich hatte er das Ziel seiner Reise erreicht), und eben noch hatte er darüber nachgedacht, wie genau er sich rächen würde, wenn er schlussendlich fand, wonach er schon ewig suchte: Die Mörder seiner Familie. Und seine Tochter. Immer wieder glaubte er, sie in den Mädchen zu sehen, auf die er einen Blick erhaschen konnte. Immer wieder war sie es doch nicht gewesen. Doch seine Mission war noch nicht beendet. Er hatte sich noch nicht alle Männer dieser Stadt und in deren Umgebung genauer ansehen können, und täglich kamen neue Reisende dazu.
Aber, auch wenn die Erinnerung an seine, weitestgehend friedlich verlaufende Reise nach Grey Falls und seinen vergangenen Aufenthalt hier wieder klarer wurden und sich zwischen die Bilder von mumifizierten Toten und einem auf weiße Gestalten schießenden Mexikaner schoben… Es fiel Dayton schwer zu differenzieren, was nun, von diesen beiden Alternativen, in Wirklichkeit geschehen war. Hatte er den trinkenden Priester auf seiner Reise wirklich getroffen? Er glaubte nicht. War er jemals Geistern und seltsamen Stürmen in der Prärie begegnet? Er glaubte nicht. Noemi, Terry, El Pezosa… Alle kamen ihm vertraut vor, allerdings irgendwie auch nicht. Vielleicht hatte er in seiner Vision, seinem Albtraum (oder was auch immer das da eben gewesen war), das erste Mal ihre Gesichter gesehen und ihre Namen gehört… Vielleicht kannte er sie auch anderswo her.
Vielleicht hier aus Grey Falls.

Jim zuckte zusammen und wurde sich seiner selbst, als er die Augen öffnete, im Dunkeln sitzend, gewahr. Die Hände abwehrbereit vor sich erhoben, konnte er jedoch keine Bedrohung ausmachen. Er fühlte sich mit einem Mal sicher. Geborgen. Die Umgebung war ihm vertraut und roch angenehm nach lasiertem Buchenholz.
„Ihr hört doch zu, Father?“
Jim versuchte irritiert, sich zu orientieren.
Die Stimme hatte ihn dabei nicht überrascht. Nein, sie kam gar nicht unerwartet. Neben Jim fiel leichter Lichtschein durch eine vergitterte Öffnung in der Wand, hinter der, in kniender Position, ihm zugewandt ein breitnasiger Kerl mit nachlässiger Gesichtspflege.
„Jedenfalls erwiderte Bob dann: ‚Du kannst dich ins Knie…‘… na, Ihr wisst schon“, sprudelten weitere Worte aus dem Mann heraus. Jim beschlich zumindest das Gefühl, dass der Kerl schon ewig redete und redete…
„Und da hatte ich kaum eine Wahl – ich meine, ich habe mich von meinem Stolz überrumpeln lassen, vor all den anderen, und da habe ich dafür gesorgt, dass Bobs Knie nichtmal mehr zum Rein… na, Ihr wisst schon, taugen. Aber ich habe mich bereits bei ihm entschuldigt, da mir das wirklich leidtut, dass er nun nicht mehr Geld für seine Familie ranschaffen kann, aber ich weiß, dass es damit noch lange nicht gesühnt ist, ich muss auch vor Gott…“
Jim nahm war, dass der Mann verunsichert in seinem Monolog innehielt, als der Priester beinahe mit einem Hechtsprung aus dem Beichtstuhl stürmte, und dann, etwas gemäßigter, aber dennoch eilend, das Weite suchte.
„Hey, wo wollt Ihr denn hin?“, maulte man ihm noch hinterher, aber Jim steuerte gezielt auf die Flügeltür zu, die ihn in die Freiheit führen würde. Was auch immer gerade geschehen war: Jim befand sich gerade in einem Moment der Panik, wobei er sich sicher war, dies nicht unbegründet war.
„Der Herr hat dir die Sünden vergeben!“, antwortete Jim, über die Schulter rufend. Seine Stimme hallte leicht zwischen den Bänken, mit weißgestrichenen Brettern verkleideten Wänden und teils bunten Fenstern.
„Geh hin in Frieden!“
Er selbst ging in Unruhe, öffnete die Tür, schloss sie sofort hinter sich, und ließ sich mit dem Rücken gegen das Türblatt sinken.
Vor ihm erstreckte sich eine staubige Straße, umfasst von hölzernen Häusern, belebt mit tagtäglichem Betrieb. Menschen, Pferdewagen, Kinder.
Jim wusste in diesem Moment nichts damit anzufangen, und gleichzeitig auch alles.
Und als er sich, um Fassung ringend, mit einer Hand durchs Gesicht strich, merkte er, dass es glattrasiert war. Und seine Kleidung schien vor absehbarer Zeit ein Bügeleisen gesehen zu haben. Seine Soutane war weder abgenutzt, noch anderweitig reisegeplagt. Sie sah tatsächlich sauber aus.
Was, zum T… beim Barte von Bob Parker? Eine Schande, dass er nun verkrüppelt war. Er war zwar auch vorher ein Taugenichts gewesen, genauso wie Will Graham einer war… Auf unerklärliche Weise, als würde er ihn nur allzu gut kennen, kam Jim gerade dieser Name, der Name des Beichtenden, in den Sinn… Genauso wie der Ort, der nun vor ihm lag, ihn mit jedem Moment vertrauter vorkam. Diese Straßen, diese Häuser, diese Menschen… ja, auch die St. Antonius-Kirche, in deren schwere Tür, an deren Holz sich nun krampfhaft sein Finger krallten. Man hatte sie erst nach seiner Ankunft hier errichtet. Man hatte sie für ihn errichtet und die Gemeinde, damit er seine Predigt nicht auf der Straße oder in seinem Zelt halten musste. Ja, sie war sein Zuhause geworden. Und Jim Reise hierher, sie war ganz anders verlaufen, als er gerade noch zu erleben geglaubt hatte. Er war nicht auf Dayton Priest gestoßen, nicht auf den Mexikaner, die diebische Pickelfresse oder das einäugige Mädchen. Kannte die vier überhaupt? Jim war sich nicht sicher. Vielleicht waren sie ihm schon einmal im Ort über den Weg gelaufen oder sie hatten seinen Gottesdienst besucht. Aber tot neben ihn gelegen, während andere ihrer Ichs zusehen hatte, hatte er nicht. Auch hatte keinen Leichenkeller entdeckt, keine Leichenschänder gesehen (zumindest nicht dort). Auf seiner ganzen Reise hatte sich kein Spuksaloon oder ein anderweitiges Tor zur Hölle aus der Prärie geschält.
Jim erinnerte sich nun genau.
Allerdings: Das änderte nichts daran, dass es nun zwei Versionen der Geschichte gab. Welche der beiden Erinnerungen war nun wahr? Die Spukgeschichte sicher nicht, immerhin befand er sich nun hier, in Grey Falls, und bei der Spukangelegenheit fehlte ein schlüssiger Übergang, wie er zu seinem jetzigen Aufenthaltsort gekommen war. Außerdem erinnerte Jim sich gut an seine bisherige Zeit in Grey Falls, und an die Leute hier. Er wusste Namen der Bewohner und konnte ihnen gedanklich Gesichter zuordnen.
Ein böser Albtraum im Beichtstuhl, mehr war diese groteske, sandige, blutige, infernale Angelegenheit nicht gewesen. Ein erschreckend lebendiger Albtraum; ein erschreckend chronologisch sinnvoller Albtraum.
Eine Vision, womöglich.
Bitte nicht.
Jim huschte an Moses vorbei, der im Schatten des Gotteshauses döste und nicht mehr als eine träge Rutenbewegung für ihn übrig hatte.
Vermutlich war er einfach wieder zu nüchtern. Nüchtern einzunicken, hatte in den letzten Jahren noch nie zu etwas Gutem geführt.
Will Grahams Gefasel war aber auch eine Zumutung gewesen…
Jim beschloss, sich mit Arbeit wachzuhalten, die ihn auch wirklich wachhielt. Aktuell war ihm nicht bekannt, dass jemand gestorben war, aber vorsorglich konnte er trotzdem ein Grab ausheben. Oder zwei. Oder dreißig. Je nachdem, wie lange es dauerte, das verwirrte Gefühl abzustreifen. Normalerweise kümmerte sich Larry, der Totengräber darum, aber heute wollte Jim das lieber eigenhändig übernehmen.
Stich für Stich. Der muffige Geruch von Erde. So wie damals in Gettysburg. Da hatte er auch einfach nur funktioniert und nicht zu viel nachgedacht. Das war erst später gekommen.


Zuletzt von Umbra am Sa Nov 05 2016, 18:30 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen - Seite 10 Empty Re: No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

Beitrag von Fade Sa Okt 22 2016, 23:39

El Pezosa blickte, als hätte er ein Gespenst gesehen. Natürlich hatten ihn die Erinnerungen sofort wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht, aber die 'andere' Erinnerung erschütterte ihn doch innerlich bis aufs Mark. Was war das für eine verteufelte Vision?! Ein Alptraum am helllichten Tag und dann noch binnen eines Augenblicks über so viele Momente, wie sie eine halbe Nacht hätten füllen können? Wäre er gerade im Bett erwacht, so hätte er es als beispielhaften Alptraum abtun können, aber so...

Der Mexikaner riss sich zusammen und erwiderte die Liebkosung seiner Chica indem er sie mit der Linken an fest an sich zog. Er ließ den Colt stilvoll zweimal um den Zeigefinger rotieren, ehe er ihn wieder in den Holster versenkte und leerte im Anschluss sein Glas mit Tequilla in einem Zug. Er küsste Cherry, wie seine Schöne sich nannte, auf die etwas zu stark geschminkte Wange und raunte ihr zu. „Lass uns nach oben gehen.“ Tatsächlich wollte er nur aus dem vollen Raum, um klare Gedanken fassen zu können. Wurde er Verrückt? Hatte ihm jemand diese Vision mit Absicht geschickt? Wenn ja, was sollte dieser Unsinn bedeuten?
Mit jedem Atemzug wusste Diego diesen Saloon in einem neuen Licht zu sehen und schätzen, während seine Gedanken um die verrückte Geisterstadt kreisten, als er die Treppe ins Obergeschoss, zusammen mit Cherry, hinauf stieg. Es hätte ihn schon oft erwischen können. Ja, er hatte schon mehrfach das Gefühl erlebt, Metall im Leib zu spüren. Aber wenn es einen einmal erwischte, ja dann war es das eben. In der Vision hatte er dagegen seinen eigenen Leichnam gehalten, was für sich ja bereits völlig absurd war. So etwas gab es nur in Geschichten von alten Leuten, die einen damit etwas lehren wollten. Aber konnte es sich dabei wirklich um eine Art Lektion handeln, oder war es tatsächlich einfach nur das erste Anzeichen eines waschechten Wahnsinns?

Im Zimmer ließ sich der Mexikaner der Länge nach ins weiche Bett fallen und zog Cherry sogleich fest an seine Seite, damit sie gar nicht erst auf die Idee kam, gerade noch großartig aktiv zu werden.
Es tat gut, gerade so etwas wie eine Vertraute bei sich zu wissen, auch wenn Diego sich bei ihrer Loyalität keine Illusionen machen. Trotz ihrer strahlend rot geschminkten Lippen und der halblangen roten Lockenpracht war Cherry nicht unbedingt eine Schönheit, was für El Pezosa keine große Rolle spielte. Sie war eine von vielen für ihn, wie es auch umgekehrt der Fall war und von dem Umstand, dass er sich wenigstens in der Taverne mit seinen zumindest überdurchschnittlichen Fähigkeiten mit den Waffen den Ruf eines harten Hundes aufgebaut hatte, welcher respektiert, oder gefürchtet wurde, profitierten sie beide. So achtete auch Cherry darauf, dass ihr 'Kuchenstück' stets über die wichtigeren Neuigkeiten auf dem Laufenden war, um mit seinem auch ihren eigenen Stand möglichst unangetastet zu halten.
Natürlich würden irgendwann auch die hierher kommen, die besser waren, als El Pezosa. Bis es soweit war würde er einige der brauchbaren Burschen im Saloon auf seiner Seite wissen und damit mehr als eine Möglichkeit haben, Konkurrenten den Rang abzulaufen.
Für den Augenblick, in dem nun leise Zweife nagten, was er als Realität zu beanspruchen hatte und was von seinen Erinnerungen nicht in seinen Kopf gehörte, war das bestärkende Gefühl des Körpers neben sich jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Trost.

Es hatte wenig Sinn, mit Cherry über den Traum zu reden, auch wenn sie sicher nicht auf den Kopf gefallen war. Frauen im Westen, die hier ohne eine Familie lebten hatten es alles andere als leicht und mussten ganz genau wissen, wie sie sich der Männerwelt zu verkaufen hatten, ohne dabei Federn zu lassen. Zudem wurde die Konkurrenz mit den verstreichenden Jahren und so mancher ankommender Kutsche aus dem Osten nicht leichter. Natürlich hatte sie inzwischen gemerkt, dass etwas mit Pezosa nicht stimmte. Dafür kannte sie ihn schon zu gut. Hätte er den Tagtraum, so wie man es wohl nennen musste, ehe etwas besseres dafür bereit stand, geschildert, dann hätte sie ihn wohl tatsächlich für verrückt gehalten oder sich auch nur geärgert, dass einzelne Personen von hier, jedoch sie selbst nicht in seiner Geschichte vorkamen.

„Glaubst du an Geister?“ Versuchte es Diego nun doch etwas unverfänglicher. „Ich meine, Geschichten gibt es ja genug und auf meinen Reisen habe ich auch schon vieles gesehen und erlebt, was man mir nicht überall glauben würde. Indianer erzählen ja auch viel über die Toten. Ich denke, dass es nicht gut ist, wenn sie Kontakt zu einem suchen, aber meinst du, dass sie immer nur übles im Schilde führen? Wenn sie auf Rache aus sind vielleicht, oder wenn sie auch im Leben schon echte Dreckratten waren...“
Pezosa spürte, wie ihre Hand über sein Haar glitt und sah Cherry an. Sie schminkte sich mehr, als es nötig gewesen wäre und ihr Parfüm duftete auch nicht so gut, wie frische Luft. Was konnte sie es schon tatsächlich kümmern, was in ihm vorging, solange er nur an ihrer Seite blieb? „Kennst du vielleicht irgendwelche Hexendoktoren hier in der Gegend, die mit den Toten reden?“
Der Gedanke war gut! Cherry lebte lang genug in Grey Falls um sich auszukennen, oder zumindest die Leute zu kennen, die ihm weiterhelfen konnten.
Er musste unwillkürlich an die anderen denken, die hier und auch in seiner Vision erschienen waren. Es wäre geradezu typisch für einen Traum gewesen, aber doch nicht in einem Augenblick in dem er einen Zielschuss vollführte?! Etwas passte ganz und gar nicht mit diesen Erinnerungen und wenn er der Sache nicht auf den Grund ging, könnte es ja wieder passieren.
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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen - Seite 10 Empty Re: No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

Beitrag von Elli Mo Okt 24 2016, 13:36

Überrascht zuckte Dayton zusammen, als er die raue Stimme aufgebracht rufen hörte. Sein Lachen verwandelte sich in ein Husten, als er sich rasch aufsetzte. Noch ungläubig starrte er auf das Bett auf dem der lag.
"Beruhig dich Hobbson! Halt die Schnauze!" sollte er ihn doch rauswerfen, er würde einen anderen Platz zum schlafen finden und sein Geld würde er wieder bekommen, das war keine Frage.
Was tatsächlich eine Frage war, war eher der Umstand was nun schon wieder los war. Er war mehr als verwirrt.
Hatte er wieder das Trinken angefangen? Daran konnte er sich nicht erinnern, noch hatte er den Geschmack von Bier oder Whiskey im Mund. Er wusste das er in Grey Falls war. Doch was war wirklich passiert? Konnte er sich das alles eingebildet haben? Die Gesichter, die Namen? Man träumte sich ja manchmal die wildesten Sachen zusammen. Die Gesichter waren vielleicht von Bewohnern dieser Stadt hier...ja, das konnte sein.
Dayton erhob sich schließlich von seinem Bett und zog seine Klamotten an, ohne sich mit unwichtigen Dingen wie einer Morgentoilette zu beschäftigen. Seine vor Schmutz starrenden Kleidungsstücke lagen unachtsam über den Boden verteilt.
Er schüttelte noch einmal den Kopf, er hatte wirkliche eine blühende Phantasie.
Einmal hatte er sich sogar eingebildet, mehr als sicher zu wissen, wer seine Familie getötet hatte. Doch das war genauso absurd, wie das was er mittlerweile als Traum abtat. Brennende Leichen waren auch im wilden Western nicht an der Tagesordnung.

Als er die Tür öffnete hatte sich Hobbson verzogen, vermutlich wohl wissend, dass Dayton Waffen bei sich trug.
Was auch immer passiert war, Dayton würde sich auf den Weg machen, sich die Menschen hier genauer anzuschauen. Er verließ das Gebäude und trat in den angrenzenden Stall. Da waren seine beiden Pferde, die er unterbewusst schmerzlich vermisst hatte.
Er pfiff leise und der Hengst machte sich auf den Weg zu ihm, während dem Cowboy seine Pflege mehr als egal war, kümmerte er sich ausgiebig um seine Tiere was das betraf. Snow ließ er im Stall stehen, die zufrieden ein paar Halme Stroh zupfte.
Ohne Frost einen Sattel aufzulegen, sprang er leichtfüßig auf dessen Rücken und machte sich auf den Weg Grey Falls noch etwas genauer zu erkunden.
Seid einigen Tagen war im in der Nähe der Kirche ein Kerl aufgefallen, der den Anschein machte, er hätte etwas zu verbergen. Seine Suche würde bei diesem Kerl weitergehen. Das war zumindest ein Plan. Er trieb Frost zu einem leichten Trab an, während er sich dem Kirchengebäude näherte. In der Nähe hielt er das Tier an und tat so als würde er die Kirche betrachtetn, während er im Augenwinkel den zwielichtigen Typ im Auge hatte, der gerade auf der Veranda saß und sich eine Kippe drehte.
Zu lange konnte er natürlich hier nicht stehen bleiben, also ließ er Frost wieder antraben.
Er näherte sich der Kirche immer mehr. Auf dem Friedhof sah er einen Priester, der dabei war ein Grab auszuheben und offenbar ein persönliches Problem mit dem Boden hatte, so wie er den Spaten in die Erde hieb.
Wieder stoppte Dayton. Der Typ war tatsächlich einer aus seinem Traum. Zumindest erklärte das nun, wo er das Gesicht her hatte.
"Guten Morgen, Pater."
Elli
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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen - Seite 10 Empty Re: No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

Beitrag von Darnamur Sa Nov 05 2016, 18:07

Noemi, die gerade noch die Einrichtung des Saloons zerballert hatte, sah statt einer weiteren Flasche im Regal des Wirts, die klirrend in ihre Einzelteile zersprang, eine andere, die ihre Scherben im Laub zwischen Bäumen verteilte. Kühle Luft umwehte sie, hier im Schatten von Fichten, wo sie sich auf einer kleinen, ungestörten Lichtung wiederfand. Sie kam häufiger hier heraus, wenn sie ihre Ruhe brauchte von all den Menschen, die sich lachend und schreiend und stinkend und schwitzend in den Saloons drängten und lärmend über die Straßen Grey Falls marschierten. Hin und wieder fand sie sich gern in den hinteren Ecken eines Gasthauses wieder, wo sie ungestört und unauffällig ihre Sorgen in Alkohol ertränken konnten, aber immer wieder war es nötig für sie Abstand von den Einwohnern und Durchreisenden zu gewinnen, damit sie mit sich selbst und Tommy alleine war.
Hier draußen konnte sie in Ruhe mit ihm sprechen, ohne dass ihr verächtliche und merkwürdige Blicke zugeworfen wurden. Außerdem mochte sie die Atmosphäre des Waldes.
Auch zum Jagen kam sie hier heraus, für das erlegte Wild konnte sie sich ein paar Münzen beim örtlichen schnauzbärtigen Saloonbesitzer verdienen und Noemi war generell immer knapp bei Kasse.
Nun jedoch war sie nicht zum Jagen herausgekommen, sondern übte ein wenig mit dem Gewehr. Dadurch kam sie manchmal auf klarere Gedanken. Gerade war sie sich nicht wirklich sicher, wie lange sie noch hierbleiben wollte und wie es mit ihrem Leben weitergehen sollte. Sie fühlte sich mehr und mehr ausgelaugt und sah sich einen ausgetretenen Pfad entlang stapfen, der nur noch von Knochen und verdorrten Bäumen flankiert wurde.
Doch als sie die Scherben der Glasflasche in alle Richtungen springen sah, kam ihr der Gedanke daran, wie sie überhaupt erst hier hergekommen war. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie lediglich mit ihrem Gepäck und ihrer Flinte durch die Wildnis gezogen war. Einmal hatte eine auf den ersten Blick freundlich wirkende Familie, die mit einem Planwagen in dieselbe Richtung unterwegs war, ihr angeboten mitzureisen, doch sie hatte abgelehnt. Es mochte die bequemere Möglichkeit gewesen sein, aber Noemi reiste lieber alleine.
Aber war diese Version der Geschichte wirklich war? Es gab nämlich noch eine andere Version. Und diese mündete darin, dass sie in einem von Geistern bewohnten Saloon von unheimlichen Kräften gefangen genommen worden war. Sie hatte schließlich wie wahnsinnig die Bar zerschossen und auch dort waren die Scherben in alle Richtungen gesprungen…
Sie blickte auf die zerschellte Flasche im Laub. Sie war damals kurz zuvor gewesen sich einfach umzubringen und der Angelegenheit ein Ende zu setzen, aber nun war sie hier. Dabei war es eigentlich unmöglich. Sie hatte zwei verschiedene Abläufe der Ereignisse im Hinterkopf. Aber nur bei einem, wusste sie, dass sie hier angekommen ist. Die andere Geschichte mit dem Saloon hatte kein Ende genommen. Sie hatte einfach abrupt aufgehört.
Vielleicht habe ich mich wirklich umgebracht, dachte Noemi, auf die Scherben starrend. Und das war dann das Ende. Also konnte sie wohl zufrieden sein, dass es auch noch die andere Version gab. Die, in der sie sicher hier ankam.
Wobei sie nicht wirklich zufrieden mit ihrem Leben war.
Aber im Moment zumindest sah Noemi noch keinen Grund sich umzubringen. Hier war sie ein freier Mensch und dafür hatte sie jahrelang leiden und kämpfen müssen. Allein deswegen wollte sie sich nicht einfach von ihrem Leben verabschieden. Vielleicht gab es die Möglichkeit für einen Neuanfang. Vielleicht.
Sie dachte an die anderen Menschen aus ihrer Geschichte. Der Mexikaner, der sich als Diego vorgestellt hatte, der Mann, der sich als Priester ausgegeben hatte…sie war sich nicht mehr sicher, ob sie seinen Namen erfahren hatte. Dann noch der Begleiter des Priesters und Terry. Den Mexikaner meinte sie mal in dem hiesigen Saloon gesehen zu haben. Dort schien er sich häufig herumzutreiben. Und hatte sie den pickelgesichtigen Terry nicht gerade vorhin am Fluss gesehen, als sie durch die ersten Ausläufer des Waldes gewandert war?
Vielleicht sollte ich noch mal nachsehen. Vielleicht treibt er sich noch dort herum.
Noemi wusste zwar nicht, was sie dann zu Terry sagen sollte, aber ihr Instinkt trieb sie dazu, dieser Spur aufs Erste nachzugehen. Langsam begann sie sich durch den Wald auf die Stelle zuzupirschen, wo sie ihn vermutete.
Und tatsächlich. Da stand er mit nackten Füßen im Flussbett und schaufelte herum. Anscheinend versuchte er sich wie viele der Menschen, die hier herzogen sein Glück als Goldwäscher, in der Hoffnung dadurch zu Reichtum und Wohlstand zu kommen. Unschlüssig was sie tun sollte verharrte Noemi in ihrer Deckung und beobachtete mit einem aufmerksamen, weit aufgerissenen Auge den fremden und zugleich bekannten Mann.
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Beitrag von Leo So Nov 06 2016, 23:54

Es war, als hätte man ihm einen Kübel Eiswasser unvermittelt über den Kopf gekippt.
Schlagartig war Terry hellwach, eine fürchterliche Gänsehaut fuhr über seinen Rücken bis zu seinen Handgelenken. Seine Finger fühlten sich taub an, und einen Moment lang überkam ihn der Drang, panisch um sich zu sehen. Die Schaufel in seinen Händen fiel mit einem Platschen ins Wasser.
Erst, als das sanfte Vogelgezwitscher und das leise Schnauben seines Pferdes an sein Gehör drangen, konnte er sich beruhigen. Alles war gut. Alles war gut … Trotzdem dauerte er einen Moment, bis er sich erinnerte, wo er war. Das angenehm kühle Wasser des Grey Creek spülte um seine nackten Füße; eines der hochgekrempelten Hosenbeine hatte sich gelöst und klebte nun nass an seinem Knöchel. Wie blöde glotzte er auf die Schaufel, die auf dem Flussgrund lag, während all diese furchtbaren Erinnerungen auf ihn einstürzten. Der Saloon … all die Leichen … Blut … am Schluss diese schrecklichen Weißen. Oh Gott … was war mit ihm los?!
Nein. Er musste sich beruhigen. Alles war in Ordnung. Er stand im Wald, ganz allein, mit Alma. Es war warm, es war schön, es war ruhig. Er zwang sich, ruhiger zu atmen, dann hob er die nasse Schaufel aus dem Wasser, sah auf und warf einen Blick rundum, ängstlicher, als er zugegeben hätte. Nein … es war tatsächlich alles ruhig. Nicht einmal die unbarmherzige, sandige Prärie lag vor ihm, stattdessen dieser saftige, angenehme Wald. Er hörte seinen eigenen Atem, wie er an den Zähnen vorbeipfiff; sein Herz schlug langsamer und nichtmehr, als wolle es jeden Augenblick seinen Brustkorb sprengen.
Oh Mann … dieser Traum … er hatte noch nie so lebhaft geträumt. Klar, ab und zu hatte er Albträume, dass jemand ihm beim Sex mit nem Mann erwischte oder ähnlicher Blödsinn. Hatte ja jeder mal. Aber das … das war anders gewesen. So real … Aber je länger Terry darüber nachdachte, desto dämlicher erschien ihm sein Traum. Ein Sturm, der die Umgebung änderte? So ein Schwachsinn … sowas gab es nur im Träumen. Zum Glück.
Doch so ganz überzeugte ihn das nicht. Was, wenn … nein … oder doch? Was, wenn er jetzt gerade nur träumte? Und sich eigentlich noch an jenem Ort befand, diesem fürchterlichen Geisterdorf, in das er unter keinen Umständen zurückkehren wollte?
Die anderen … warum waren da andere in seinem Traum gewesen, Menschen, die er kaum kannte? Dieser Prügelpriester, den hatte er doch höchstens ein oder zwei Mal gesehen …
Verdammt … Terry biss sich auf die Unterlippe und sah sich zur Sicherheit nochmal um. Kein Sturm weit und breit. Keine Weißen … kein Pancho, kein Prügelpriester. Er schaute auf seine Goldwaschrinne, dann auf den Himmel, wieder auf die Rinne, den Fluss hinunter. Dann packte er seine Sachen, trat ans Ufer und in seine Stiefel und ging, eilig und verwirrt, zu seiner Stute hinüber. Dreck, das war unheimlich, richtig unheimlich. Er musste die anderen finden … und dann sehen, wie sie reagierten.
Aber was, wenn sie … den gleichen Traum gehabt hatten? Oh Gott … das mochte er sich gar nicht ausmalen.
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Beitrag von Darnamur Mo Nov 07 2016, 03:52

Noemi beobachtete den Mann einige Zeit lang unschlüssig aus ihrem aufgerissenem Auge. Sie wusste nicht so recht, was sie nun tun sollte. War dieser Terry ihr bekannt oder fremd? Kannte er sie? War er mit für all das verantwortlich? Konnte sie ihm trauen? Noemi war sich nicht sicher. Wie eine Raubkatze verharrte sie im Dickicht und wartete ab. Worauf genau sie aber wartete, dass wüsste sie selbst nicht zu beantworten, wenn man sie fragte.
Sie wusste es nicht. Aber sie dachte an den Revolver, den Terry in ihrer Erinnerung auf den Mexikaner richtete und ihn anbrüllte. In einer der beiden Vergangenheiten. Er war also nicht ungefährlich. Sie musste vorsichtig vorgehen. Als Terry sich in Bewegung zu setzen begann und auf sein Pferd zusteuerte, schlüpfte sie aus der Deckung hervor.
Geduldig pirschte sie sich über das Gras an den jungen Mann heran und versuchte dabei möglichst in seinem Rücken zu bleiben. Dort wo er keine Augen hatte. Menschen, die zwei davon hatten, verließen sich oft sehr auf ihre Sicht. Die anderen Sinne waren zwar auch vorhanden, aber nicht so geschärft, wie bei Noemi.
Sie wusste nicht so recht, was sie erreichen wollte, aber Terry durfte jedenfalls nicht wegreiten. Er war ihr Anhaltspunkt. Und er konnte vielleicht erklären, was in ihrem Kopf los war. Allerdings wusste sie nicht, was sie nun sagen sollte. Ihn nun einfach anzusprechen wäre komisch. Außerdem hatte er eine Waffe und konnte wieder ausrasten.
Als sie nahe genug an ihm dran war, dass er beinahe schon ihren Atem spüren konnte, hielt sie inne und stupste ihn dann sanft mit ihrem Gewehrlauf an. Ihr Auge war nach wie vor alarmiert geweitet und verfolgte Terrys Bewegungen, vor allem die seiner Hände. Noemi ging in eine defensive Haltung über und hielt sich bereit für die Reaktion. Egal welche Reaktion nun kommen würde...
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Beitrag von Umbra Di Nov 08 2016, 19:55

Die Anstrengung tat Jim gut. Es war keinesfalls so, dass er erpicht darauf war, im Dreck zu wühlen und sich körperlich zu verausgaben… andererseits fühlte es sich in diesem Moment ungemein befreiend an, Spatenstich für Spatenstich das Erdreich umzukrempeln und darin abzutauchen. Will Graham hatte sich lautstark verdrückt, nachdem Jim ihn einfach im Beichtstuhl zurückgelassen hatte. Missgelaunt war Graham am Zaun entlanggestapft und hatte sich darüber beschwert, nicht ernstgenommen zu werden. Zudem hatte er Jim einen verrückten Zausel genannt.
Father O’Reilly hatte das schaufelnd ignoriert. Zausel… Er war doch erst fünfunddreißig. Vielleicht sah er ein wenig älter aus. Aber er hatte auch schon viel erlebt. Viel zu viel. Zumindest viel zu viel Schreckliches.
Eine merkwürdige Vision von einer Hölle auf Erden, zumindest auf diese geistergeschwängerte Weise, hatte ihm noch in seiner Sammlung gefehlt. Gern hätte er darauf verzichtet. Doch möglicherweise war ihm diese Heimsuchung nicht ohne Grund widerfahren. Ein alttestamentarisch anmutendes, göttliches Zeichen? Möglich, er hatte ohnehin immer wieder den Verdacht, dass er Herr ihn dauerhaft auf die Probe stellte. Schlecht gebrannter Fusel? Möglich, wenn er betrunken gewesen wäre – was er, zu seinem Bedauern, gerade nicht war. Dämonisches Treiben? Möglich, immerhin war er nicht gerade ein Glückspilz. Dunkle Magie? Auch möglich. Wieder einmal Ironie des Schicksals, dass es ausgerechnet ihn, einen Diener Gottes traf. Möglicherweise hatte es etwas mit Indianern zu tun. In der Schlusssequenz war der kleine Ort um den Saloon herum mit Pfeilen gespickt gewesen, und auch die beiden, vollkommen weiß bemalten Männer könnten indianisch gewesen sein. Aber warum sollten Indianer ihn verzaubern oder verfluchen? Nun gut, es konnte eine späte Form der Rache sein. Father Kang’i hatte seine Dakota-Freunde enttäuscht. Auf bittere Weise. Die letzten hatten ihn sicher als Verräter betrachtet, obwohl er bis zuletzt für sie gekämpft hatte. Vergeblich. Lebte heute überhaupt noch einer von ihnen? Hier, in der Gegend um Grey Falls, traf man sicherlich eher auf Lakota. Sie ähnelten jedoch ihren präriebewohnenden Brüdern, soweit Jim wusste. Sie teilten sogar die gleiche Sprache – nur mit einem anderen Dialekt. Jim war noch keinem Lakota begegnet. Eigentlich freute er sich darauf. Die Wilden zu missionieren und sie so vor den weißen Siedlern zu schützen, sowie ihre Seelen zu retten, wäre eine edle Aufgabe. Allerdings fühlte Jim sich dazu nicht mehr in der Lage. Es wäre einfach falsch. Außerdem würde es ihm die Kirche sicher nicht mehr erlauben, missionarisch tätig zu sein. Dazu hatte Jim sich in letzter Zeit zu viele Verfehlungen geleistet… Dabei waren die, von denen sein Bischof wusste, nur die Spitze des Eisbergs.
Heuchler.
Das Erschreckendste an der ganzen geisterhaften Erscheinung war auf jeden Fall, wie real dieser Traum, oder was auch immer es gewesen sein mochte, gewesen war. Jim war sich immer noch nicht ganz sicher, ob er nicht doch die Wahrheit gezeigt hatte, und er sich gerade hier, beim Buddeln, in einer unwirklichen Umgebung befand. Allerdings fühlte sich dieser Ort hier und die ganze Ereigniskette, die ihn hierhingeführt hatte, soweit er sich erinnern konnte, einfach konsistent und richtig an.
Die Verwirrung deswegen ließ Jim nicht los, allerdings wurde sie hintergründiger, während er darüber nachdachte, wie das Gesehene zu deuten war. Welche Informationen konnte er daraus ziehen? Wer oder was könnte dahinterstecken? Oder war es schlussendlich doch so weit gekommen und Jim verlor seinen Verstand, so wie Graham es mürrisch verkündet hatte? War es da überhaupt klug, Nachforschungen anzustellen?
Gerade, als Jim sich dies fragte, ließ ihn eine Stimme aus seinen Gedanken hochschrecken. Als er, innehaltend, die Schaufel neben sich absetzte und aufblickte, musste er gegen die Sonne seine Hand vor die Stirn halten, um nicht vollkommen geblendet zu werden. Wo hatte er eigentlich seinen Hut gelassen? Vermutlich irgendwo in der Kirche.
Schweiß rann ihm übers Gesicht und den Nacken entlang, wo er von seinem Kragen aufgesaugt wurde.
Möglicherweise wäre es sinnvoll gewesen, nicht nur daran zu denken, sich seinen Hut aufzusetzen, sondern vor der Schmutzarbeit seine Soutane abzulegen. Nun war die Mühe, die sich Mrs. Benford damit gegeben hatte, damit Jim ein angemessenes Äußeres hatte, komplett für die Katz.
Auf der anderen Seite des Zauns erkannte Jim einen Mann zu Pferd, der ihn offenbar gegrüßt hatte. Und als er sich bewusst wurde, um wen es sich handelte, verfiel er tatsächlich kurz in eine Schockstarre.
Dayton Priest.
Er kannte diesen Kerl nur zu gut. Zumindest waren er und Jim sich in der Prärie vor dem Geisterort begegnet. Und was im Geisterort passiert war, hatte sich in Jims Netzhaut gebrannt… Im wahrsten Sinne des Wortes. Doch Jim war sich nicht sicher, ob dies wirklich geschehen war. Hatte dieser Mann die Leiche eines Verstorbenen geschändet? Hatte er diesem wirklich die Ewigkeit geraubt?
Jim beschloss, eine unverfängliche Andeutung zu machen. Im Zweifelfall hielt ihn nur ein Dummkopf mehr für verrückt. Dadurch war nichts verloren.
„Bist du gekommen, um Buße zu tun?“, fragte Jim, als die Pause langsam zu lang wurde. Er umfasste wieder mit beiden Händen den Spaten und begann zu graben.
„Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin“, rief Jim und beförderte einen Stich Erde auf den wachsenden Haufen.
„Halte dich ja von den Gräbern fern“, fügte er allerdings noch hinzu. „Hier bedarf niemand eines Scheiterhaufens, Dayton.“



Cherry musterte El Pezosa recht interessiert, während er mit ihr redete, doch am Ende schien sie sein offenkundiges Trübsalblasen eher zu amüsieren.
„Dich scheint heute ordentlich was zu bedrücken, mh?“, meinte sie lächelnd.
„So kenn ich dich ja gar nicht! Plagt dich etwa ein schlechtes Gewissen?“, erkundigte sich und knabberte dann lasziv an seinem Ohr. Denn auch wenn er sie an seiner Seite hielt, schien sie gerade etwas Anderes im Sinn zu haben, als zu plaudern. Dennoch ging sie näher auf seine Fragen ein.
„Man sagt, vor Rachegeistern soll man sich hüten, und dass gute Geister dich vor dem Bösen schützen“, meinte sie. „Aber ich glaube nicht daran. Es gab früher in meiner Nachbarschaft, damals in Richmond, eine alte Dame, die die Geister angerufen hat, gegen Geld. Doch das war alles ein großer Schwindel… Scharenweise sind die Leute auf sie reingefallen. Das war alles so unecht wie der ganze Hokuspokus dieser abergläubischen Wilden hier im Westen. Wenn du mit ‚Hexendoktor‘ einen dieser gruseligen Indianerpriester meinst, gibt es sicher welche in der Gegend. Man sagt, die Black Hills seien ihnen heilig. Wo Heiliges ist, sind auch heilige Männer. Ansonsten kenne ich nur Doc Emfield, und der ist sicher kein Hexer. Zumindest sagt er immer, dass er nicht zaubern kann, wenn sich jemand bei ihm beschwert. Und mit den Toten redet der sicher auch nicht.“
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Beitrag von Fade Di Nov 08 2016, 22:00

„Gewissen?“ Diego musste schmunzeln, als er den Kopf drehte und Cherry in die katzenhaften Augen sah, in denen sich schon so manch einsamer Cowboy verloren hatte.
„Sagen wir einfach, ich hatte eine plötzliche Eingebung, der ich auf den Grund gehen möchte. Wenn man viel durch das Land reitet, schnappt man so manche Legende auf und mit der Zeit lernt man, dass an manchen tatsächlich etwas dran ist. Ich stehe gut da, weil ich meinen Eingebungen nachgehe, um daraus einen Vorteil zu schöpfen.“ Der Bandito strich mit der rauen Hand über Cherrys Wange. Es war schlicht erlogen, was er der Kleinen gerade erzählte, aber die Wahrheit hätte ihn nur schwach und verwirrt aussehen lassen und auf diese Weise konnte er sich sicher sein, dass sie auch im Eigeninteresse weiter zu ihm hielt. "Sieh zu, dass du für mich den Aufenthaltsort von so einem indianischen Hexendoktor ausfindig machst. Am besten von einem, der sich mit uns auch verständigen kann und Feuerwasser und anderes Tauschgut zu schätzen weiß. Ich will mir ein paar der lokalen Legenden anhören.“

Es fiel El Pezosa noch immer schwer, die Gedanken vom falschen Traum zu verdrängen. Der Kampf, die Schmerzen, all die Zeit und die Eindrücke waren zu wirklich für einen Traum gewesen. So etwas geschah einfach nicht grundlos und das konnte noch ein riesen Problem bedeuten. Wenn es nun kein Traum war und auch nicht grundlos geschehen war so hatte das alles vielleicht tatsächlich etwas wichtiges zu bedeuten. Auf die Vergangenheit konnte es wohl nicht abzielen und so musste es sich vielleicht um eine Zukunftsvision handeln. Verpackt in Rätseln wie es ihm vorkam. Viele Leute hätten ihm nun vermutlich von Schicksal erzählt, aber so wirr und detailliert, wie sich alles abgespielt hatte, würde es kein Außenstehender verstehen können. Naheliegend war vielleicht, dass die Schicksalsgenossen, mit denen er in der Tinte gesessen war mit diesen wichtigen künftigen Ereignissen zu tun haben könnten und das er gut damit beraten wäre, sie einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Das Greenhorn hatte ihn tatsächlich mit dem Colt bedroht und ihn würde er wohl besser vorsorglich auf einen Ausflug in den Wald mitnehmen von dem nur einer zurückkehren würde. Das vernarbte Mädchen war vielleicht am ehesten der Grund für Hexerei und solche Visionen und daher mit Vorsicht zu genießen. Den Bärtigen konnte Diego noch nicht gut einschätzen, aber wie er sich verhalten hatte, trug er wohl eine eigene tiefe Bürde mit sich herum, die ihn unberechenbar machte. Den alten hatte Diego noch nicht in Grey falls gesehen und inzwischen war ihm auch unklar, ob er nicht einfach einem der vielen anderen unbekannten Geister zuzuordnen war, die ihnen begegnet waren. Padre Jim zuletzt hatte sich unerwarteter weise als brauchbar erwiesen, als er wenigstens versuchte, El Pezosa vor dem Erhängen zu bewahren. Etwas was viele Personen, die ihn kannten eher andersherum forcieren würden.
Dem Mexikaner fehlte beim besten Willen die Fantasie sich auszumalen, was gerade diese Personen für seine Zukunft zu bedeuten haben mochten, doch genau da würde der Schamane ins Spiel kommen.

Für den Augenblick war Cherry tatsächlich ein willkommener Trost für den sonst so hartgesottenen Mexikaner und so entschied er sich dafür, sich erst noch einmal richtig lebendig zu fühlen und die Matrazenfedern quietschen zu lassen, ehe er den Weg aus der Stadt anstrebte, wo er sich bereits vor Wochen einen geeigneten Platz auf einem bewaldeten Hügel gesucht hatte, von dem aus er die Glücksritter beim Betreten und Verlassen von Grey Falls und ihre Marschrouten zu den jeweiligen Claims beobachten konnte. Es war noch nicht an der Zeit, wirklich aktiv hier zu werden, denn dann wären die Vorarbeiten in der Stadt ziemlich vergebens gewesen, sich dort Namen und Ruf aufzubauen. Es schadete zumindest nicht, eine Vorauslese über die erfolgreicheren Schürfer zu treffen. Die Vision, die ihm mit macht versucht hatte, den Verstand mürbe zu klopfen, ging ihm doch gewaltig gegen den Plan und ob so ein indianischer Medizinmann überhaupt helfen konnte blieb zweifelhaft. Umso wichtiger erschien es ihm, an dem was er gerade hatte festzuhalten und es auszukosten, wenn er es schon nicht mitnehmen konnte.
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Beitrag von Elli Do Nov 10 2016, 16:04

"Nein." erwiderte Dayton auf die Frage, ob er Buße tun wollte. Er büßte für sich ganz alleine. Dafür brauchte er keinen Pater. Doch etwas brachte ihn dazu unruhig zu werden. Offenbar hatte er sich das alles nicht eingebildet, denn der Padre wusste seinen Namen. Das war im Zeichen genug.
"Woher du wohl meinen Namen kennst, Jim? Hatte ich mich vorgestellt, nachdem wir weiße Gestalten dabei beobachteten, wie sie Leichen Herzen aus der Brust rissen?" seine Stimme klang eben so kühl, wie ihm gerade die Umgebung vorkam.
Doch wenn Jim hier war, waren dann auch die anderen da? Das alles konnte kein Zufall und Traum sein.
Gespannt wartete er auf eine Antwort.
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Beitrag von Leo So Nov 13 2016, 00:11

Terry zuckte zusammen und wirbelte herum, als er einen Stups in seinem Rücken spürte. Was zum …?!
Als er das Mädchen erblickte, hätte er beinahe zu Lachen angefangen, und nicht einmal gewusst, ob vor Freude oder vor Verzweiflung. Da stand sie – Noemi, einäugig, mit langem Haar, als sei sie direkt aus seinen Gedanken entstiegen. Unfassbar. Beinahe vergnügt streckte Terry die Hände gen Himmel, bereitwillig – irgendwie ahnte er, dass das Mädchen ihm nichts antun würde, solange er ihr keinen Grund gab. Und das hatte er bestimmt nicht vor. Katzenmann Terry hing an seinem Leben.
Er sah in die Mündung der Waffe in Noemis Hand, und erinnerte sich, wie sie die Salooneinrichtung zerballert hatte. Bisschen loser Zeigefinger, den die Gute da hatte … Angst hatte er trotzdem nicht. Jedenfalls nicht vor ihr und nicht mehr als vorher schon. Tatsächlich war es fast erleichternd, ein bekanntes Gesicht zu sehen … das war, als wüsste er plötzlich, dass er nicht verrückt war …
No- … Noemi, richtig? Hehe … Was’n Zufall.“ Er grinste sein schelmischen Grinsen behielt die Hände jedoch oben. Alma stand ruhig neben ihm, den Kopf in der anderen Richtung, völlig arglos. Auch sie schien die Gefahr, die hier in der Luft lag, nicht ernst zu nehmen … was aber nichts zu sagen hatte. Terry hatte noch kaum einmal erlebt, dass Alma aus der Ruhe geriet. Das letzte Mal – und erste Mal seit langem – war tatsächlich während des Sturmes gewesen. Wie gerne hätte er mit ihr gesprochen, sie einfach gefragt, ob sie das Ganze auch erlebt hatte … wahrscheinlich hätte er es auch versucht, wenn Noemi nicht hier gewesen wäre. Und wahrscheinlich hätte seine Stute wieder mal nicht geantwortet. War immer gleich mit ihr.
Ich hab grad an dich gedacht, witzig oder? Wobei, nee, ein witziger Gedanke war’s nicht gerade … zu viel …“ Ein schräger Blick von unten herauf. Mit Hut hätte der tausendmal cooler ausgesehen. „ … Sandsturm?
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Beitrag von Umbra Do Nov 17 2016, 21:36

Dayton sprang tatsächlich auf Jims Worte an… und keinesfalls so, als würde er gar nicht verstehen, woraus Jim anspielte – im Gegenteil. Der Gedanke an die grausame Szene der weißen Leichenschänder (wobei eins ihrer Opfer ja noch nicht ganz tot gewesen war), rief leichte Übelkeit, zusammen mit einem unangenehm drückenden Gefühl von sich anschleichender Panik, in ihm hervor. Definitiv war es also kein normaler, wenn aus überaus abstoßender, Albtraum gewesen. Wenn Dayton es auch gesehen hatte… wenn er sich ebenfalls daran erinnerte…
Jim überlegte, ob die anderen, sollten sie ebenfalls diese Eingebung gehabt hatten, sich ebenfalls in Grey Falls aufhielten. Bedeutete, wenn sie alle diesen Spuk im Saloon gesehen hatten, dass dieser wirklich geschehen war?
Irgendwie zweifelte Jim daran, dass dies wirklich eine Szene aus ihrer aller Vergangenheit gewesen war. Erinnerungen tauchten nicht einfach so, zusammenhangslos, auf. Man wurde nicht von einem Schauplatz eines Massakers in einen Beichtstuhl befördert, von jetzt auf gleich, und konnte sich dennoch daran erinnern, wie man eigentlich auf ganz andere Weise dorthingelangt war.
Und wenn andere dies alles auch gesehen hatten, konnte die Erklärung auch nicht sein, dass Jim verrücktgeworden war. Nein, es musste irgendeine Vision sein. An für sich bedeutete das nichts Gutes.
„Nein“, antwortete Jim Dayton und schüttelte den Kopf. Nein, dann hatte dieser Verrückte, durfte man der Vision trauen, seinen Namen nicht erwähnt. Schwitzend rammte Jim das Blatt des Spatens in den erdigen Grund des wachsenden Grabes und kletterte hinaus.
„Bevor du mich des Nachts in der Prärie mit deiner lieblichen Singstimme gequält hast.“
Er war außer Atem, weil die Buddelei in der Sonne in doch etwas verausgabt hatte. Langsam trottete er ein Stück in Daytons Richtung, um sich dann aber auf die Bank fallen zu lassen, die im Schatten an der Kirchenmauer stand, nur wenige Meter von dem neuen Grab entfernt, das wohl noch einen Meter Tiefe zur Vollendung benötigte.
„Komm“, schnaufte er und winkte den bärtigen Kerl zu sich, „ich denke, es gibt einiges zu bereden. Aber sag Father zu mir, Dayton. Ich trage diese schwarze Robe nicht, weil ich sie gemütlich finde.“
Aber das hieß nicht, dass sie unpraktisch war. Jim ließ seine Hand in die Innentasche gleiten, blickte sich kurz um… aber da er sich von niemandem außer Dayton beobachtet fühlte, lüftete er seinen Flachmann und genehmigte sich zwei Schluck.
Das Brennen des Schnapses in seiner Kehle war eine wahre Wohltat. Es half ihm, sich besser zu fühlen. Nur ein wenig, zwar, allerdings machte es seine Situation nicht angenehmer, wenn er sich vollkommen nüchtern mit ihr auseinandersetze. Ein kleiner Beruhigungstropfen war ihm wohl auch am helllichten Tag vergönnt.
„Ich… ich kann mir das nicht erklären“, gab er zu. Es war frustrierend, so verwirrt zu sein.
„Du hast es also auch gesehen. Oder ist es wirklich geschehen?“
Jim zögerte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, das kann nicht sein. Ich habe dich vor diesem Moment noch nie getroffen, da bin ich mir fast sicher. Genauso wenig, wie ich diesen Mexikaner nicht kenne, diese hässliche Kleine, diesen Mann, der verblutet ist, oder den pickligen Dieb. Sag mir also, wie ich das anders deuten soll als eine göttliche, oder aber satanische Eingebung.“
Jim nahm noch einen Schluck.
„Vielleicht befinden wir uns auch gerade im Fegefeuer. Nichts deutet darauf hin, dass es vorbei ist. Auch wenn Grey Falls auf gewisse Weise echter ist als dieser Saloon, aber in Ordnung muss das hier deshalb nicht sein.“
Es tat ein wenig gut, darüber zu reden. Interessiert erwartete er Daytons Gedanken dazu.


Zuletzt von Umbra am So Nov 20 2016, 12:39 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag von Elli Fr Nov 18 2016, 15:25

Dayton beobachtete den Pater stumm, während er zu seinem Flachmann griff.
Er setzte sich auf dem Pferd zurecht um es sich bequemer zu machen, Frost hatte den Kopf sinken lassen und hatte eine entspannte Haltung angenommen.
"Was soll es sein, wenn nicht wahr?" fragte Dayton. Er ließ seinen Blick über die Gräber schweifen.
"All das was du gerade gesagt hast, habe ich auch erlebt....und ich kann es nicht mal auf Alkohol schieben. Ich trinke nicht. Das Fegefeuer kann es auch nicht sein, vielleicht deins, aber nicht meins. Ich glaube nicht daran was die Kirche predigt. Also müsste ich in der Hölle sein. Dafür ist es aber nicht heiß genug." er zuckte mit den Schulter.
"Die Greenhorns von denen du redest, sind mir auch bekannt. Wenn wir beide hier sind, sind sie es vielleicht auch. Lust auf eine Runde durch die beschaulichen Häsuer eurer Schäfchen?"
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Beitrag von Darnamur Sa Nov 26 2016, 00:10

Vor Noemis aufgerissenem Auge, flackerte Terrys Grinsen, seine Hände streckten sich dem Himmel entgegen. Sie hielt den Lauf ihres Gewehres nach unten geneigt und musterte den Mann, den sie in einer der Vergangenheiten getroffen hatte und der seine Waffe auf den Mexikaner richtete, von dem Priester verprügelt wurde…vielleicht waren sie auch hier. Der Priester und der Mexikaner. Die Frage war, ob sie diese Beiden wiedersehen wollte. Terry hatte vielleicht ein gutes Herz. Sie konnte sich nicht sicher sein, aber im Moment lächelte er sie an. Er war in ihrer Erinnerung einmal durchgedreht, aber es waren auch sehr spezielle Umstände gewesen. Und sie war das auch. Sie dachte an zerspringende Glasflaschen.
Terry wusste auf jeden Fall Bescheid. Er kannte ihren Namen, er kannte den Sandsturm, der sie hunderte Mal erfasst hatte, den Saloon in Schutt und Asche legte, sie unter Trümmern begrub, sie einschlafen ließ.
Ihr Blick richtete sich in die Ferne. Sonne schien ihr ins von Narben zerfressene Gesicht.
„Was ist passiert?“, flüsterte sie.
Als sie sich wieder Terry zuwandte, konnte er Verzweiflung aus ihrer Mimik herauslesen, während ihn die dunkle Iris ihres geweiteten Auges durchbohrte. Ihre Erinnerung war ein Haufen aus Scherben, von denen Blut und Schrecken trieften. Sie war in Fragmente zersplittert und sie war nicht mehr in der Lage, sie zusammenzusetzen. Irgendwo in ihr war Noemi bewusst, was dies bedeuten musste. Sie verfiel dem Wahnsinn, für den sie immer bestimmt war, nachdem man sie misshandelt und getreten hatte, wie einen ungezogenen Hund. In den Scherben spiegelten sich die Gedanken an eine Reise in die Black Hills, aber auch der Kampf mit dem Sandsturm und beide Erinnerungen kollidierten miteinander, sodass es ihr unmöglich war zu entscheiden, was Realität und was Fiktion war, die zusammenschmolzen zu einem malmenden Sturm aus Chaos, der ihr den Schädel und sämtliche klare Gedanken vernebelte.
„Was ist mit uns passiert, Terry?“
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No Man's Land - Teil I: Der raue Westen - Seite 10 Empty Re: No Man's Land - Teil I: Der raue Westen

Beitrag von Fade So Nov 27 2016, 17:06

Diego hatte sich auf seinen 'Denkerstamm' niedergelassen. Ein umgestürzter, vergleichsweise dünner Baumstamm, welcher sich in seinem Versteck als bequeme Sitzgelegenheit angeboten hatte. Der laue Wind und die Ruhe halfen dabei, sich zu entspannen und mit seinen Gedanken ins reine zu kommen. Auch wenn die Erinnerung an die Geisterstadt erfreulich rasch trüber zu werden schienen, tat er sie nicht als simplen Traum, oder Eingebung ab. Es war wie ein Angriff gewesen, ihm so eine falsche Welt unter zu jubeln. Wer wäre aber zu so etwas in der Lage? Vielleicht war es ein Gift gewesen, was man ihm verabreicht hatte, aber irgendwie roch die Geschichte viel zu sehr nach Magie. Irgendjemand oder irgendetwas hatte es anscheinend auf ihn abgesehen und er hatte diesen Angreifer noch nicht einmal bemerkt. Oder war er wirklich nur verrückt? Welche Möglichkeiten blieben ihm dann noch, wenn in seinem Oberstübchen erst alles verloren war?

Auf die Hilfe von Freunden konnte er jedenfalls nicht hoffen, wenn man seine Schwäche erst bemerken würde. Er könnte noch eine Weile vorgeben, größere Summen versteckt zu halten, um sich gute Behandlung zuteil werden zu lassen, doch das würde nicht lange funktionieren. Das Beste wäre es wohl, mit einem großen Knall abzutreten, wenn schon nichts mehr zu gewinnen war. Idealer weise etwas, wofür man ihn noch in Generationen besingen würde.
Schwermütig zog der Bandito sein langes Messer hervor und betrachtete sein Spiegelbild in der blanken Klinge aus gehärtetem Stahl. Er hatte schon einiges erlebt, worum viele ihn wohl beneiden und zu ihm aufblicken würden, aber bedauerlicherweise kannten nur wenige seine Geschichte.

Grey Falls war eigentlich keine schlechte Stadt, um sich eine Weile auszuruhen. Ewig würde es nicht so bleiben. Es würden mehr Menschen kommen und mit ihnen mehr Probleme. Es würde nicht lange dauern bis man teil einer Gruppe sein musste um sich halbwegs frei bewegen zu können und auf der anderen Seite würde auch der Sheriff seine Methoden verhärten. Bis dahin würde El Pezosa schon längst wieder zu neuen, lukrativeren Gebieten unterwegs sein und idealer Weise den Ritt auch mit vollen Taschen antreten. Vielleicht wäre es aber auch besser, die Stadt schon bald hinter sich zu lassen. Wenn das Ereignis in der Taverne keinen aufkommenden Wahnsinn zur Ursache hatte, dann war es wohl als recht gehaltvolle Warnung zu verstehen, dass er jemanden in die Quere gekommen war, der dies mit ungewöhnlichen Mitteln zu verhindern wusste. War die mögliche Ausbeute hier das Risiko wert?

Etwas nachdenklich begann der Bandito vor sich hinzusummen und mit tiefer, ruhiger Stimme ein Lied anzustimmen, welches seine Bande einmal, vor vielleicht zehn Jahren nach einem gelungenen Überfall zu seinen Ehren gedichtet hatte.

Man nennt ihn El Pezosa, er ist der Beste von den Schlechten,
der fast letzte seiner Unart, Sand im Auge der Gerechten.
Er ist so übel das ihm selber manchmal übel davon wird.
Er war schon immer ein ganz Schlimmer, er ist wirklich unerhört.
Denn er ist der härtste Brocken ja und glaubst du ihm das nicht,
wirst du seine Stiefel putzen mit deinem Gesicht.

El Pezosa, der gemeinste der Gemeinen.
El Pezosa, wenn er lacht dann müsst ihr weinen.
El Pezosa, nicht mal der Heiland hat ihn lieb.
El Pezosa, er ist schuldig aus Prinzip!

Er ist alle mal auf jeden Fall der allergrößte Schuft im Land,
der strammste Hengst im Stutenstall, den besten Stahl in seiner Hand.
Ist in der unter-Unterwelt sowas wien Stern am Himmel,
für die Hurenschaft der Strahleheld auf einem weißen Schimmel.
Er ist die Männlichkeit in Hochform, ist das reinste Weiberglück
und er trinkt allein drei Flaschen Wein – zum Frühstück!

El Pezosa, der gemeinste der Gemeinen.
El Pezosa, wenn er lacht dann müsst ihr weinen.
El Pezosa, nicht mal der Heiland hat ihn lieb.
El Pezosa, er ist schuldig aus Prinzip!

Ja der Jesse dieser Schänder oder Billy oder Nickel,
waren nur Schrecken für die Kinder, waren am Rechtsarsch doch nur Pickel.
Die Desperadolegenden aus den ganzen freien Staaten,
sind doch nur dummes Gelaber gegen seine fiesen Taten.
Er hat nen Marschall abgelangt, hat den Teufel erschreckt.
Hat den Sheriff aufgeknüpft, mit dessen Weibe rum geleckt.
Er hat den Weingeist gefragt ob sie wettsaufen wollen,
den Indianern gesagt, dass sie nach Westen abhauen sollen.

El Pezosa, er ist ein Welteroberungsplaner.
El Pezosa, wie ein Gott für die Indianer.
El Pezosa, nicht ein Sheriff hat ihn lieb.
El Pezosa, er ist schuldig aus Prinzip!


Es half, seine Laune etwas zu heben, sich an alte Taten zurück zu erinnern und dass er durchaus jemand war. Stimmungsvoller hätte es sicher geklungen, wenn eine neue Bande das Lied für ihn gesungen hätte, aber das musste er sich wohl erst wieder aufs neue erarbeiten. Heute war offenbar nicht soviel los, was die Aktivität der Schürfer anging, oder es lief so gut, dass sie bis in die Nacht hinein arbeiteten und womöglich in ihren Claims schliefen. Ein nobles vorhaben, wenn natürlich auch nicht ganz ungefährlich. Es konnte doch so leicht geschehen, dass einem dort nächtens ein schlimmes Unheil widerfuhr.
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Beitrag von Leo Di Nov 29 2016, 15:10

Terry blinzelte verwundert. Dann begriff er.
Oh nee … ich hatte gehofft, du würdest das nicht sagen …
Langsam und vorsichtig ließ er seine Hände sinken und bemühte sich dabei, Noemi nicht ins Auge zu starren. Sie sah verzweifelt aus, und er vermutete, dass er selbst gerade einen ähnlichen Eindruck machte. Scheiße … aber wenn das echt passiert war – warum waren sie dann jetzt hier?
Waren sie hier?
Kacke. Das war alles zu kompliziert für sein Hirn. Terry der Katzenmann war für so einen Unsinn nicht bestimmt.
Keine Ahnung“, murmelte er, während er nach seinen Zigaretten suchte, sich einen der unsauber gedrehten Stiele zwischen die Lippen klemmte und anzündete. Seine langen Finger zitterten schon wieder, genau wie damals, als er nach seiner Leiche … uah. Nein, das konnte nicht wirklich sein, sowas gab‘s nicht in Wirklichkeit. Aber woher kannte er dann Noemi … und sie ihn? „Ich hatte irgendwie gehofft, du könntest mir das sagen.“ Er sog Rauch ein, dann nahm er die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger und versuchte ein halbherziges Grinsen. „Du enttäuscht mich, Mädel! Aber jetzt mal im Ernst … sind die anderen auch hier? Also, die anderen, ich meine … du hast sie dann ja auch gesehen, oder? Der Prügelpriester, den Bartmann, den mexikanischen Mistkerl? Vielleicht … naja, vielleicht sollten wir die mal fragen.
Oh Mann, was freute er sich auf dieses Wiedersehen. Aber solange sie nicht wieder versuchten, ihn zu verprügeln … Er warf die aufgerauchte Zigarette zu Boden und trat sie aus. „Der Arschlochpriester ist doch bestimmt anner Kirche. Woll’n wir‘s mal versuchen?
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Beitrag von Darnamur Sa Dez 03 2016, 20:56

Noemi beobachtete Terry dabei, wie er eine Zigarette hervor holte. Normalerweise würde sie nun auch eine rauchen, aber gerade fühlte sie sich überhaupt nicht danach. Ihr Herz schlug im Ton einer dumpfen Trommel.
„Ich kann dir nichts sagen…“, bestätigte sie murmelnd seine Vermutung. „Und Diego habe ich glaube ich mal in der Taverne gesehen.“
Sie sah die Faust des Mexikaners krachend in Terrys Gesicht hämmern, nachdem der seinen Gegenüber als Greenhorn bezeichnet hatte.
„Willst du wirklich nach Ihnen sehn? Die wissen auch nicht mehr als wir. Eigentlich bin ich ganz froh, dass sie nicht mehr in meiner Nähe sind.“
Noemi blickte ihn musternd aus ihrem einem Auge an.
„Wer weiß, was passiert, wenn wir uns wieder zusammenfinden“, verkündete sie düster.
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Beitrag von Umbra Do Dez 15 2016, 21:04

Jim konnte nicht behaupten, dass er mit Daytons Antwort unbedingt zufrieden war. Die Verachtung gegenüber Gott und der Kirche, die dieser Mann verspürte, war leicht aus seinen Worten herauszulesen. Es schmerzte Jim, jemanden so achtlos über das Heiligste zu reden, das es in der Welt gab. Was Dayton erlebt haben musste, um nicht zu glauben, wusste Jim nicht, aber er wusste, dass einem jedem Prüfungen gestellt wurden, an denen man brechen konnte. Als Priester war es Jims Aufgabe, verirrte Schafe zurück zur Herde des Herrn zu führen, auch wenn es viel Arbeit und Geduld kostete. Dieser Aufgabe würde er sich auch annehmen.
„Ich habe ohnehin nichts Besseres zu tun“, brummte Jim und seufzte dann so leise, dass es eher doch nur ein Ausatmen war. Ja, wenn er sich schon mit Dayton befasste, so konnte er auch den seltsamen Machenschaften auf den Grund gehen, die hier im Hintergrund von Statten gingen. Ob es sich um Magie oder eine andere Teufelei handelte, um Spuk oder Irrsinn: Father O’Reilly wollte es herausfinden. So stand Jim von seiner Bank auf und blickte Dayton entgegen, während er seinen Flachmann wieder in einer Tasche seiner Soutane verschwinden ließ.
„Ich sage dir, Dayton“, äußerte Jim. „Was auch immer hier vorgeht, ich schiebe es keinesfalls auf Alkohol; ich kann es ebenso wenig wie du. Ich war vollkommen nüchtern, als ich das sah, was auch du gesehen hast. Es gibt Dinge in dieser Welt, die der Mensch nicht zu verstehen vermag. Sei es das Werk des Herrn in seiner Unergründlichkeit oder das abgrundtief Böse, das in jedem von uns schlummert. Dennoch können wir gegen Luzifer angehen. Wir dürfen uns nicht in Versuchung führen lassen.“
Jim hoffte, dass er damit nicht auf taube Ohren stieß. Und wenn doch…
Steter Tropfen höhlt den Stein.
Dayton mochte wie ein störrischer Kerl wirken, aber Father O’Reilly war es ebenso – vollkommen überzeugt davon, weitaus mehr Geduld zu besitzen als ein dahergelaufener Strauchdieb (oder als was auch immer man Dayton verstehen konnte).
Der Gedanke daran und auch ein wertender Blick in Richtung des Mannes erinnerten Jim daran, dass er selbst gerade wenig gepflegt aussah. Was eine kurze körperliche Ertüchtigung im Dreck anrichten konnte… Nicht, dass es Jim unbedingt störte, dreckig herumzulaufen. Allerdings stellte man an den Pfarrer einer Gemeinde gewisse Anforderungen.
„Warte einen Moment…“, bat Jim deswegen, innehalten, versuchend, sich die Erde aus der Soutane zu klopfen, resignierend.
„Ich muss das in Ordnung bringen.“
Jim marschierte davon, an der Kirche vorbei, zum Pfarrhaus, wo er residierte. Man hatte es, zusammen mit dem Gotteshaus, erst nach seiner Ankunft hier errichtet. Es war nichts Besonderes, aber bei Weitem komfortabler als ein Zelt – auch wenn Jim es mochte, auf dem Boden zu schlafen. Er war nicht allzu verwöhnt.
Jim schlüpfte aus der staub- und schweißbesudelten Soutane und wusch sich schnell, bevor er in eine saubere Soutane schlüpfte – nicht ohne seinen Flachmann zu transferieren, wobei er sich bei dieser Gelegenheit auch Zeit dafür nahm, ihn aufzufüllen. Dabei entdeckte er auch seinen Hut, den er wohl heute Morgen auf dem Tisch hatte liegen lassen.
Es brauchte lediglich zwei Minuten, bis Dayton Jim zurückhatte.
Moses gähnte herzhaft und dehnte seine müden Knochen, als er bemerkte, dass sein Herrchen anscheinend vorhatte, zu gehen. Der Kojote hefte sich an Jims Fersen.
„Ich weiß nicht genau, wo wir mit der Suche beginnen sollten“, gab Jim zu. „Irgendwelche Ideen?“
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Beitrag von Fade Mi Dez 21 2016, 18:44

Diego hätte der glücklichste Bandito nördlich der Grenze sein können, doch stellte sich das Höhegefühl der letzten Tage einfach nicht mehr ein, wie es sollte. Die Worte seines Großonkels Gonzales hallten wie fernes Geflüster in seinem Kopf. Unterschätze niemals Hexerei, wenn du ihr begegnest. War dieser unheimliche Aussetzer im Saloon denn etwas anderes? El Pezosa fiel zumindest nichts vergleichbares ein, auf das er das Vorkommnis hätte schieben können. Wahnsinn, ja. Dann könnte er sich aber auch gleich selbst eine Kugel verpassen, wenn er so eine Schwäche erst nicht mehr verbergen konnte.
Mit nachdenklichen Brummen erhob er sich schließlich aus seinem bequemen Versteck. Es war sinnlos, jetzt am Aufbau seines einträglichen Geschäftes zu arbeiten, während etwas verdorbenes am Fundament nagte. Da er auf Cherry`s Zuarbeit wohl noch warten musste, würde er sich an die nächstbeste Instanz in Sachen Hexerei wenden, die ihm in den Sinn kam. Den Padre.

Auch wenn es sich für einen redlichen Hombre wie ihn eigentlich nicht gehörte, ein Bethaus aufzusuchen, hatte Pezosa einen Ruf aufgebaut, der stark genug war, solche Kleinlichkeiten zu verzeihen. Padre Jim hatte sich in seinem Traum nicht gerade als nützlich erwiesen, doch musste das ja nicht auf den richtigen Padre zutreffen. Eine predigt hatte er bislang zwar nicht besucht, um den frommen Säufer einschätzen zu können, doch gab es allerlei Geschwätz über den seltsamen Mann Gottes.

Der Weg in die Stadt verschaffte Diego allerlei weitere düstere Gedanken und die Erinnerung an den verwunschenen Ort schien Stück für Stück zurück zu kehren. Er wäre nicht El Pezosa gewesen, wenn er sich auch nur das geringste dieser Sorgen in seiner Körpersprache ansehen lassen hätte. So machte ihm auch in Grey Falls sein düsterer konzentrierter Blick den Weg frei, ohne dass dazu weitere Gesten notwendig gewesen wären. Sein Weg zur Kirche erschien ihm selbst trotzdem ähnlich einem Weg zum Galgen, denn eine finstere Vorahnung machte sich mehr und mehr in ihm breit.

Als er den Padre erblickte, wie man ihn an seiner eigentümlichen Kleidung schon von weiten erkennen konnte, war dieser nicht allein und offenbar im Begriff, das Kirchengelände zu verlassen. Pezosa hielt zielstrebig auf die beiden zu. Seine befürchtung schien sich zu bestätigen, als er in dem Begleiter des Padres den Bärtigen Cowboy aus seinem Alptraum erkannte. Zufall? Wohl kaum.
Auch die beiden hatten den Mexikaner erkannt und waren Stehengeblieben. Diego stoppte selbst erst kurz vor Padre Jim und sah ihn mit halb zusammengekniffenen Augen zwei Sekunden starr entgegen, um sich seiner vollen Aufmerksamkeit zu versichern.
„Heh, Padre. Habe viele Weiber auf die Laken geklemmt, ohne sie zu ehelichen und Streitigkeiten mit anderen Hombres auch eindeutig beendet, wenn es notwendig war. Nichts was nicht jeder gestandene Mann tun würde. Sagt mir, könnt ihr mir einen Geist nennen, der jemanden für so etwas eine sündige Vergangenheit durchleben lässt, die nicht die eigene ist?“
Die Anwesenheit des Bärtigen machte seine Frage fast schon überflüssig, denn im Blick der beiden war nicht schwer zu deuten gewesen, als sie El Pezosa erkannten, dass in ihren Köpfen ähnliche Gedanken kreisten wie in seinem.
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Beitrag von Leo Do Dez 22 2016, 19:19

Ja, wer weiß …“, murmelte Terry und kratzte sich erneut, wie es seine Gewohnheit war, hinterm Ohr, während er angestrengt zu Boden sah. „Wer weiß, wer weiß. Finden wir’s doch einfach raus! Was soll schon passieren?“ Und schon waren sein Optimismus und sein fröhliches Grinsen wieder da. In einer geübten Bewegung schwang er sich auf Almas Rücken und sah dann auf die nun deutlich kleinere Noemi herunter.
Das Mädchen sah wirklich übel aus. Terry erinnerte sich an das, was sie in der Geisterstadt erzählt hatte, und ein unguter Schauer glitt seinen Rücken herunter. Dagegen war seine eigene befleckte Vergangenheit der reinste Scherz. Was trieb so jemanden nach Grey Falls? Sie sah nicht aus, als wäre sie auf Goldsuche aus, wie er. Tja, selbst schuld, wenn sie nicht reich werden wollte.
Ich bin ja auch froh, irgendwo, der Pater geht auf die Nerven, was? Aber ich will trotzdem wissen, was da los war.“ Vielleicht fischte er nach Strohhalmen, aber viel mehr als die anderen Leute aus seinem seltsamen Traum blieben ja nicht. Gut, sie waren alle komisch gewesen, aber wenn’s keinen anderen Weg gab, warum dachte er dann drüber nach?
Er klopfte einladend auf Almas Rücken direkt vor sich und sah zu Noemi runter. „Na, was is jetzt? Steig ruhig auf! Keine Angst, Alma ist das tollste Tier, dass du dir vorstell’n kannst, glaub mir. Und zu Fuß brauchst du doch ne Ewigkeit!
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Beitrag von Darnamur Fr Dez 23 2016, 23:27

Noemi konnte mit Terrys Optimismus nicht unbedingt etwas anfangen. Ihr braunes Auge fixierte die weiß aufblitzenden Zähne im Gesicht des Cowboys, als sich sein Mund zu einem Grinsen formte. Wie konnte man eine solche Freude empfinden? Es kam ihr fremd vor.
Aber im Grunde erschien ihr diese ganze Welt fremd, für andere Menschen geschaffen. Was machte sie hier? Sie streifte ohne wirkliches Ziel durch die Gegend und versuchte sich irgendwie am Leben zu erhalten. Sie hielt sich fern von der Zivilisation, damit sie mit sich allein bleiben konnte. Diese kollidierende Erinnerung und Verzerrung der Wirklichkeit war eigentlich nicht mal so sonderbar. Sie schien auf ihre eigene, merkwürdige Art und Weise sogar perfekten Sinn zu ergeben.
Vielleicht will ich auch wissen, was passiert ist.
Aber sicher, war sie sich bei diesem Gedanken nicht.
„Nun gut“, meinte sie schließlich. Ihr Auge richtete sich nochmal auf die Fuchs-Stute. „Alma also…“
Sie spähte zu der Stelle, auf der Terry ihr bedeutete Platz zu nehmen. Sie sollte sich also vor ihn sitzen und während des Ritts würde es wohl nicht möglich sein Körperkontakt zu vermeiden. Ihr wurde etwas unwohl. Bestimmt würde er wieder dieses Grinsen in seinem pickligen Gesicht haben…
Und außerdem konnte sie ihn nicht sehen, während sie dort saß. Das gefiel ihr nicht. Wieder huschte ihr Blick zu Terry, der darauf drängte, dass sie aufstieg. Es wäre wirklich nicht sinnig, wenn sie zu Fuß ging. Das würde ewig dauern. Aber der Gedanke daran, dass sie seine Weichteile hinter sich spüren würde, bereitete ihr Übelkeit…
Eigentlich glaubte sie nicht, dass Terry für sie gefährlich war oder ihr etwas Böses wollte. Auch wenn sie mittlerweile sehr misstrauisch bei Männern war, erschien er ihr bisher recht ehrlich und vielleicht etwas unerfahren und dumm. Sie könnte sich vor ihn setzen. Der Ritt war bestimmt nicht lange. Das würde sie wohl durchhalten…ja, würde sie wohl…was sollte sie tun?
„Sag mal, Terry…“, Noemi blickte aus ihrem verbliebenen Auge zu ihm hinauf. Die leere Höhle war dabei von ihrem roten Haar verhangen. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dieses Mal Alma reite? Ich hatte nun schon länger nicht mehr die Gelegenheit dazu.“
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Beitrag von Umbra Mo Jan 02 2017, 17:04

Gerade, als die Suche nach den anderen beginnen sollte, tauchte einer von ihnen von selbst auf. Jim konnte nicht sagen, dass er sich freute, den Mexikaner zu erblicken, als dieser auf ihn zustapfte und sich vor ihn stellte… auch wollte er, abseits eines Beichtstuhls, nicht unbedingt solcherlei Details aus dessen Leben erfahren… aber immerhin blieb Dayton und Jim so erspart, den Saloon aufzusuchen. Jim mied diesen Ort, aus gewissen Gründen. Er hatte eine Abmachung mit dem Besitzer. Für ein kleines Trinkgeld aus dem Klingelbeutel wurde Jim unter der Hand mit Schnaps versorgt und konnte sich einmal die Woche auf Besuch freuen, der zur „Beichte“ kam, um mit ihm zu pokern. So etwas sollte Jim nicht öffentlich tun, solange der anständige Teil der hiesigen Bevölkerung ihn noch in einem einigermaßen guten Licht sah. Jim hatte wenig Lust auf einen Einlauf vom Bischof. Dieser schien langsam die Geduld mit ihm zu verlieren.
„Wenn du beichten möchtest“, antwortete Jim dem Mexikaner, „sollten wir kurz reingehen, meinst du nicht?“
Er wies auf die Kirche, sein Tonfall zeigte aber bereits, dass er das nicht unbedingt ernst meinte. Jim hatte gerade anderes im Sinn. Da der zwielichtige Südländer offenbar das Gleiche erlebt hatte wie Dayton und Jim, war wohl nun davon auszugehen, dass sich die Befürchtungen bewahrheitet hatten: Sie alle hatten das gleiche Problem. Leider war die Lösung noch nicht in Sicht und vermutlich nur durch Zusammenarbeit zu finden.
„Ich kenne mich nicht mit Geistern aus“, sprach Jim deswegen, nicht gerade bestens gelaunt, weiter. „Ich gehe eher stark davon aus, dass wir es mit einem Fluch zu tun haben. Dunkle Magie. Teufelswerk. Wir werden der Sache auf den Grund gehen. Ich bin mir nur nicht sicher, was uns diese Vision sagen soll… und was uns verbindet, dass wir alle betroffen sind. Einerseits fürchte ich, dass wir es noch nicht ausgestanden haben… und andererseits müssen wir den Täter unschädlich machen. Auch wenn Indianer Magie praktizieren, muss es kein Indianer sein, dem wir unsere Situation zu verdanken haben. An der Existenz von Geistern habe ich bisher gezweifelt, aber Magie… Magie ist eine andere Geschichte. Glaubt mir, wenn ich sage, dass damit nicht zu spaßen ist.“
Jim hatte ein äußerst ungutes Gefühl bei der Sache. Nicht zuletzt, weil hinter dieser letzten Andeutung mehr steckte, als die anderen wohl vermuten könnten. Es hieß im fünften Buche Mose:
„Wenn du in das Land hineinziehst, das der Herr, dein Gott, dir gibt, sollst du nicht lernen, die Gräuel dieser Völker nachzuahmen. Es soll bei dir keinen geben, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, keinen, der Losorakel befragt, Wolken deutet, aus dem Becher weissagt, zaubert, Gebetsbeschwörungen hersagt oder Totengeister befragt, keinen Hellseher, keinen, der Verstorbene um Rat fragt. Denn jeder, der so etwas tut, ist dem Herrn ein Gräuel. Wegen dieser Gräuel vertreibt sie der Herr, dein Gott, vor dir. Du sollst ganz und gar bei dem Herrn, deinem Gott, bleiben. Denn diese Völker, deren Besitz du übernimmst, hören auf Wolkendeuter und Orakelleser. Für dich aber hat der Herr, dein Gott, es anders bestimmt.“
Und was zu Zeiten Mose galt, im Heiligen Land, das galt auch hier, im Land der Sioux.
Eigentlich.
„Wir sollten hier in Grey Falls und der Umgebung nach auffälligen Personen suchen, die sich mit Hexenwerk auskennen könnten“, brummte Father O’Reilly düster. „Und nach dem pickligen Dieb und dem missgestalteten Mädchen.“


Zuletzt von Umbra am Di Jan 03 2017, 12:58 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag von Elli Di Jan 03 2017, 11:41

Bevor Dayton die Möglichkeit gehabt hatte darüber nachzudenken, wo man die Suche anfangen könnte, schien jemand den er doch eindeutig kannte. Der Reisfresser war also auch hier. Es bestand nach ein paar kurzen Worten keine Frage mehr danach, ob das erlebte nur ein Traum gewesen war. Immerhin war er offenbar nicht wahnsinnig geworden oder nicht wahnsinniger als er es ohnehin schon war, schloss Dayton für sich selbst daraus.
"Ich erinnere mich noch gut an deinen Kojoten Padre, kann er bei Suche behilflich sein?" vielleicht konnte der Kojote die anderen beiden aufspüren...
"Wenn nicht, sollten wir nach dem Pferd suchen. Das schien dem jungen sehr wichtig zu sein. Finden wir das Tier, finden wir sicherlich auch ihn."
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Beitrag von Leo Fr Jan 13 2017, 18:04

Nachdenklich (und auch ‘n bisschen nervös, irgendwie) sah Terry auf Noemi runter und überlegte sich, was er jetzt sagen sollte. „Ääh … äh … naja, das … nee, das geht nich. Leider!“ Verdammt! Auf keinen Fall würde er die Zügel aus den Händen nehmen. Am Ende stieß sie ihn einfach aus dem Sattel und war mit Alma auf und davon … Das Risiko konnte er nicht eingehen.
Aber wie sollte er das erklären, ohne Noemi zu beleidigen? Er schob die Zunge in den Mundwinkel und kratzte sich am Kinn. Er hatte gerade schon gesagt, dass Alma nichts gegen Fremde hatte, oder …?
Ach, egal. „Naja, weil, es is so …“, setzte er hastig hinzu und sah über Noemis Kopf in den Wald, „wenn du jetzt, angenommen, einfach … naja, die Zügel nimmst, dann … äh … Also, könnte sein dass Alma das dann komisch findet, nich?“ Er nickte bekräftigend; ein paar Haarsträhnen fielen ihm dabei in die Stirn. „Am Ende schmeißt sie dich noch ab! Jaah, das könnte passiern.“ Er kramte wieder sein schiefes Lächeln raus und hoffte, dass er bei dieser Notlüge nicht rot geworden war. Tatsächlich hätte sich wohl jeder Trottel auf Almas Rücken setzen können, ohne, dass sie viel dagegen gehabt hätte. Sie hätte vielleicht nicht gleich reagiert, aber früher oder später konnte jeder mit diesem Pferd davonreiten. Er erinnerte sich an den Tag, an dem er Alma ‚gewonnen‘ hatte … Noch am selben Abend war er mit ihr nach Hause geritten. Seine Geschwister hatten Augen gemacht …!
Kaum nen Monat später war er schon mitten in der Prärie gewesen, hatte einfach tschüss gesagt, sich auf den Rücken seiner treuen Stute gesetzt und war weg gewesen. Er hatte nicht zurückschauen wollen, weil das angeblich Unglück brachte, hatte es dann aber doch gemacht, und nix war passiert. Gab’s nich sogar so ne Bibelgeschichte, wo ne Frau zu … Salzstein oder so geworden war? Nur, weil sie zurückgeguckt hatte?
Terry merkte, das seine Gedanken abdrifteten, und brachte sich mit einem kurzen Kopfschütteln zurück in die Gegenwart. Dann schaute er wieder zu Noemi runter, lächelte und klopfte nochmal auf den Pferderücken. „Na, komm schon, ich beiße nich! Sonst kommen wir heute gar nich mehr an.
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